transfer 23(4) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

Sind Dislikes besser als ignoriert zu werden?

Eine experimentelle Untersuchung zur Auswirkung von sozialem Ausschluss auf sozialen Netzwerkseiten auf die Bedrohung von Bedürfnissen und auf anschließende Interaktionen

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass ein sozialer Ausschluss als schmerzhafte Erfahrung wahrgenommen wird und die Befriedigung der fundamentalen Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Selbstwert, Kontrolle und bedeutungsvoller Existenz einschränkt. Auf sozialen Netzwerkseiten kann ein solcher Ausschluss sowohl durch ausbleibende Likes (= Ostrazismus) als auch durch den Erhalt negativer Reaktionen (= Zurückweisung) erfolgen. Die theoretische Unterscheidung zwischen Ostrazismus und Zurückweisung wurde bisher jedoch nur im Offline-Kontext getroffen. Daher wurde in dieser Studie untersucht, inwiefern beide Formen eines auf sozialen Netzwerkseiten erlebten Ausschlusses die Bedürfnisse der Nutzer/innen einschränken. Zudem wurde erforscht, ob sich ausbleibende oder negative Reaktionen auf einen geposteten Inhalt in einem unterschiedlichen Interaktionsverhalten der Nutzer/innen widerspiegeln. Dies begründet sich durch das Temporal Need-Threat Model, nach dem ein sozialer Ausschluss zu einem Rückzug von sozialen Interaktionen, zu prosozialem oder aber zu antisozialem Verhalten führen kann.

Zur Beantwortung beider Problemstellungen wurde ein präregistriertes Online-Experiment durchgeführt (N = 211). Die Form des sozialen Ausschlusses wurde durch eine simulierte soziale Netzwerkseite manipuliert, auf der die Versuchspersonen mit anderen „Nutzer/innen“ – in Wahrheit computergenerierten Tools – interagiert haben. Auf dieser Seite sollten sie ein Statusupdate verfassen, das in Abhängigkeit der Versuchsgruppe entweder sechs Dislikes (Zurückweisung), sechs Likes (Inklusion) oder aber sowohl ein Like als auch ein Dislike (Ostrazismus) erhielt. Dabei zeigte sich, dass beide Formen des sozialen Ausschlusses die Bedürfnisse im Vergleich zur Inklusion eingeschränkt haben, diese Einschränkung jedoch beim Erhalten von Dislikes stärker als im Falle ausbleibender Reaktionen war. Zudem führten beide Formen des sozialen Ausschlusses zu einem unterschiedlichen Interaktionsverhalten: Nutzer/innen, die keine Likes erhalten haben, haben sich eher prosozial verhalten als jene, die durch Dislikes zurückgewiesen wurden. Die Zurückgewiesenen hingegen haben sich jedoch nicht antisozialer verhalten, sondern sich eher von sozialen Interaktionen zurückgezogen.