Die Medienwelt durchlebt mit voranschreitender Digitalisierung einen stetigen Wandel. Insbesondere die Strukturen der Massenmedien verändern sich: Anstelle des „Gatekeeper-Monopols“ sind nun Transparenz und Partizipationsmöglichkeiten vorherrschend. Diese Veränderung wirkt wie ein Katalysator. Sie bedingt eine unkontrollierbare Fülle an Informationen, die nicht zwangsläufig wahrheitsgemäß recherchiert und publiziert werden. Die Menge an Inhalten und Informationen erschwert es den Rezipierenden zunehmend, mediale Inhalte hinsichtlich ihrer Echtheit bzw. Glaubwürdigkeit zu beurteilen.
Die Basis der Arbeit bildet die Frage, welche Rolle kritische Medienkompetenz im Umgang mit Desinformationen spielt. Kritische Medienkompetenz wird in dieser Arbeit als Zusammenschluss der Teilkompetenzen Medienvertrauen, Medienwissen, Reflexion und Selbstwirksamkeit verstanden. Es wurde eine standardisierte, quantitative Online-Befragung von 110 18- bis 29-Jährigen durchgeführt. In einem Quasi-Experiment wurde der Zusammenhang zwischen dem Ausmass an Desinformationen und der Glaubwürdigkeit untersucht. Hierzu wurden den Befragungspersonen echte und fiktive „Sharepics“ (eine Kombination aus dem Zitat und Bild einer Person) vorgelegt, die sie hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit beurteilen sollten. Die desinformativen Sharepics waren eine Montage aus fiktiven Zitaten, welche zusätzlich einem politischen Operator in den Mund gelegt wurden. Die Forschungsdaten wurden zwischen dem 27. Mai 2020 und dem 12. Juni 2020 erhoben.
Den Studienerkenntnissen folgend, neigt die Stichprobe zu einer selbstkritischen, nahezu zweifelnden Haltung gegenüber der eigens empfundenen Medienkompetenz im Umgang mit Desinformationen. Das ist jedoch nicht nötig: Es zeigt sich deutlich, dass sie Desinformationen von echten Inhalten unterscheiden können und erstere weniger glaubwürdig eingeschätzt haben als die echten Inhalte. Vor allem die Fähigkeiten Reflexion und Selbstwirksamkeit sind von Bedeutung für den Umgang mit Desinformationen bzw., im konkreten Fall unserer Studie, für das Unglaubwürdigkeitsempfinden von Desinformationen. Medienvertrauen und -wissen sind hingegen irrelevant. Abschließend ist festzuhalten, dass sich kritische Medienkompetenz für den Umgang mit Desinformationen und darüber hinaus für den allgemeinen medialen Umgang als Kernkompetenz erweist. Wie auch andere Kompetenzen impliziert das zwangsläufig einen vorausgegangenen Erwerb − sei es über die elterliche Früherziehung, die schulische Weiterbildung, oder einen alternativen Weg der Aneignung.