transfer 26(3) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

Warnen, aufklären und korrigieren

Eine quantitative Experimentalstudie zum Einfluss unterschiedlicher Prebunking- und Debunking-Kombinationen auf die wahrgenommene Glaubwürdigkeit von COVID-19-Desinformationen

Desinformationen drohen die demokratische Öffentlichkeit zu spalten und die Demokratie zu destabilisieren. Auch während der COVID-19-Pandemie sind Teile der Gesellschaft von der Glaubwürdigkeit bestimmter Desinformationen überzeugt, auch wenn diese Informationen wiederholt und systematisch von wissenschaftlichen Studienergebnissen widerlegt worden sind.

Um die wahrgenommene Glaubwürdigkeit von Desinformationen zu reduzieren, können proaktive und reaktive Strategien eingesetzt werden. Proaktive Strategien gehen der Rezeption von Desinformationen voraus und werden mit dem Begriff des Prebunkings bezeichnet. Reaktive Strategien, die im Anschluss an die Rezeption von Desinformationen erfolgen, werden unter dem Begriff des Debunkings zusammengefasst. Als besonders effektive Operationalisierung des Prebunkings hat sich die Kombination aus Warnung und Aufklärung erwiesen, die auf die Inoculation theory von McGuire (1961; 1964) zurückgeht. Durch eine Warnung vor potenziell falschen Informationen sowie eine Aufklärung über die in Desinformationen häufig zum Einsatz kommenden Manipulationstaktiken, soll die Medienkompetenz der Rezipient:innen gefördert werden. Außerdem wird das Potenzial von aktivem Prebunking (z. B. in Form von Browser-Spielen) im Vergleich zu passivem Prebunking (Informationen in Textform) untersucht. Debunkinginterventionen werden meist in Form von faktenbasierten Korrekturen, also Korrekturen, die sich in ihrer Argumentation auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Primärquellen stützen, operationalisiert. Neuere Studien untersuchen zudem die Effektivität logikbasierter Korrekturen, in denen rhetorische Manipulationstaktiken aufgedeckt werden.

Um der dynamischen Verbreitung von Desinformationen effektiv entgegenzuwirken, betont die Forschung das Potenzial eines kombinierten Ansatzes bestehend aus Prebunking– und Debunkinginterventionen. Bislang existieren jedoch kaum Studien, die die Effektivität solcher Kombinationen untersuchen. Die Masterarbeit untersuchte daher, welchen Einfluss verschiedene Kombinationen aus Prebunking– und Debunkinginterventionen auf die wahrgenommene Glaubwürdigkeit von Desinformationen haben. Angenommen wurde, dass Kombinationen, die logikbasiertes Debunking beinhalten, die wahrgenommene Glaubwürdigkeit von Desinformationen effektiver reduzieren als Kombinationen, die faktenbasiertes Debunking beinhalten. Außerdem wurde angenommen, dass Kombinationen, die aktives Prebunking beinhalten, die wahrgenommene Glaubwürdigkeit von Desinformationen effektiver reduzieren als Kombinationen, die passives Prebunking beinhalten. Die Kombination aus aktivem Prebunking und logikbasiertem Debunking sollte die wahrgenommene Glaubwürdigkeit von Desinformationen dementsprechend am effektivsten reduzieren.

Zur Beantwortung der Fragestellung und Hypothesen wurde ein Online-Experiment (N = 282) durchgeführt. Das Experiment wurde in Form eines 2 (logikbasiertes Prebunking: aktiv vs. passiv) × 2 (Debunking: logikbasiert vs. faktenbasiert) between-subjects Designs realisiert. Zusätzlich wurde das Design um eine Kontrollgruppe ergänzt. Alle vier untersuchten Kombinationen reduzierten die wahrgenommene Glaubwürdigkeit der (fiktiven) COVID-19-Desinformation im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant. Entgegen den Erwartungen schnitten Interventionskombinationen, die passives Prebunking beinhalteten, geringfügig besser ab als Interventionskombinationen, die aktives Prebunking beinhalteten. Dieser Unterschied erwies sich jedoch nicht als statistisch signifikant.

Interventionskombinationen stellen eine effektive Erweiterung der Einzelstrategien dar, um den Einfluss von Desinformationen zu reduzieren. Aufgrund der mangelnden Repräsentativität der Stichprobe lassen sich die Ergebnisse nicht auf die deutsche Bevölkerung übertragen.