Als zentraler Akteur während der Coronapandemie verzeichnet die Wissenschaft in der Gesellschaft, laut Wissenschaftsbarometer, ein relativ starkes Vertrauen seitens der Bevölkerung. Die starke Medienpräsenz einzelner Wissenschaftler:innen, die aktuell aus den Talkshows und Bundespressekonferenzen nicht mehr wegzudenken sind, gibt Anlass für eine nähere Betrachtung möglicher Zusammenhänge.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der vermeintlichen Personalisierung der Wissenschaft, indem einzelne Expert:innen durch ihre Dominanz in den Medien quasi pars pro toto die Wissenschaft als Ganzes repräsentieren zu scheinen. Dieser Umstand, so die Vermutung, könnte wiederum als Heuristik für Wissenschaftsvertrauen von der Gesellschaft herangezogen werden.
Die Vertrauensbeziehung im Wissenschaftskontext ist durch das Wissensdefizit auf Seiten der Bevölkerung von einem Abhängigkeitsverhältnis gekennzeichnet, weshalb im Rahmen Vertrauenskonstrukt vor allem die Glaubwürdigkeit eine zentrale Rolle spielt. Diese setzt sich nach Mayer et al. (1995) aus Fähigkeit, Integrität und Wohlwollen zusammen. Die Personalisierung der Wissenschaft, abgeleitet von der politischen Personalisierung, meint eine Reduktion teilweise komplexer, politischer Inhalte auf die Akteure selbst. Damit verbunden ist ihr Image, das sich aus rollennahen und rollenfernen Merkmalen zusammensetzt. Der theoretische Rahmen schließt außerdem die Art der Informationsverarbeitung ein und wird anhand des Heuristic Systematic Model nach Chaiken et al. (1989) beschrieben. Außerdem wird das Konzept der Scientific Literacy herangezogen.
Die angenommenen Effekte wurden mittels einer quantitativen Online-Befragung in Form einer Fallstudie (N=129) am Beispiel von Charité-Virologe Christian Drosten als einer der führenden Wissenschaftler im Zusammenhang mit dem Coronavirus geprüft. Die Ergebnisse zeigen erste Potenziale für die Wissenschaftskommunikation auf, um die Wissenschaft nachhaltig als Teil der Gesellschaft in dieser zu verankern: Die Bewertung der Person Drosten stellt einen signifikanten Prädiktor für das Vertrauen in Wissenschaft dar. Rollennahe Aspekte, wie eine umfangreiche Expertise und Kompetenz, stehen in stärkerem Zusammenhang zum Vertrauen in Wissenschaft als rollenferne, wie z.B. Sympathie. Die formale Bildung moderiert diesen Zusammenhang außerdem. Ein signifikanter Einfluss durch die gemessene Scientific Literacy ebenso wie durch das Interesse an Wissenschaft und Forschung geht aus den Ergebnissen nicht hervor. Allerdings stehen diese wiederum in starkem Zusammenhang zur formalen Bildung und ordnen sich dieser als zentraler Moderator möglicherweise unter.