Nutzer*innen ist ihre Privatheit im Internet wichtig und sie sind angesichts der Datensammlung durch Technologie-Konzerne besorgt. Dennoch nutzen sie kontinuierlich Onlinedienste und geben dadurch persönliche Informationen preis, die analysiert und weiterverwendet werden. Diese Inkonsistenz aus Einstellungen und Verhaltensweisen bezüglich der eigenen Privatheit im Internet wird Privacy Paradox genannt. Das Phänomen wurde bisher in zahlreichen Studien identifiziert und erklärt. Nur wenige Studien beschäftigen sich jedoch mit der Frage, wie Nutzer*innen mit dieser Inkonsistenz umgehen. Die vorliegende Arbeit begreift das Phänomen vor dem Hintergrund der sozialpsychologischen Theorie der kognitiven Dissonanz nicht als paradox, sondern als alltäglich und ermöglicht dadurch einen Fokus auf diese Frage. Der durch inkonsistente Kognitionen ausgelöste unangenehme Gefühlszustand kognitiver Dissonanz motiviert zur Reduktion ebendieser. Insbesondere wenn eine Änderung der beteiligten Kognitionen schwierig ist, etwa weil sie sich auf gewohnheitsmäßig ausgeführtes Verhalten beziehen, kann eine Reduktion durch Strategien der Selbstrechtfertigung erfolgen. Die vorliegende Studie untersucht davon ausgehend die Frage, welche Selbstrechtfertigungsstrategien Nutzer*innen von Onlinediensten anwenden, um die kognitive Dissonanz zu reduzieren, die durch die Inkonsistenz von Einstellungen und Verhaltensweisen bezüglich der eigenen Privatheit im Internet hervorgerufen wird.
Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine präregistrierte, experimentelle Onlinestudie mit N = 189 deutschsprachigen Nutzer*innen von Onlinediensten im Alter von 18 bis 29 Jahren durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen einen negativen Effekt von kognitiver Dissonanz auf internale Selbstrechtfertigungsstrategien, wie die Trivialisierung oder Leugnung von negativen Konsequenzen des eigenen Verhaltens. Dies deutet darauf hin, dass internale Selbstrechtfertigung nicht für den Umgang mit der Inkonsistenz eingesetzt wird. Stattdessen zeigt sich eine hohe Anwendung externaler Rechtfertigungen, wie die Verschiebung von Verantwortung oder die Wahrnehmung fehlender Kontrollmöglichkeiten. Externale Strategien werden dabei unabhängig vom Ausmaß kognitiver Dissonanz sowie von weiteren untersuchten Einflussfaktoren angewendet. Es wird angenommen, dass Nutzer*innen eine grundsätzliche Haltung bezüglich der Privatheit im Internet entwickelt haben, die auf externaler Selbstrechtfertigung basiert. Diese erlaubt einen Umgang mit der Inkonsistenz aus Einstellungen und Verhaltensweisen in Bezug auf die eigene Privatheit und eine gewohnheitsmäßige Nutzung von Onlinediensten.