In den letzten Jahren hat die gesellschaftliche Debatte zum Thema Gendern stark an Relevanz gewonnen. Gegner:innen argumentieren, dass geschlechtergerechte Sprache die Lesbarkeit und Verständlichkeit von Texten negativ beeinflusst, während Befürworter:innen ihren Standpunkt damit begründen, dass das Gendern die soziale Gleichstellung der Geschlechter sichtbar macht. In dieser Debatte kommt den Medien eine besondere Rolle zu, da das Publikum auf die Darstellung des Weltgeschehens in der Medienberichterstattung angewiesen ist. Deshalb hat die Entscheidung von Nachrichtenredaktionen, zu gendern oder nicht, einen Einfluss auf die Konstruktion von Realität in der Gesellschaft.
In der Literatur lassen sich nur wenige kommunikationswissenschaftliche Studien finden, die sich mit der Verwendung von geschlechtergerechter Sprache in Nachrichtentexten beschäftigen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass durch das Gendern Frauen stärker gedanklich einbezogen werden. Bezüglich der Lesbarkeit der geschlechtergerechten Sprache sind die Ergebnisse der Studien ambivalent.
Diese Studie untersucht die Wirkung der Verwendung geschlechtergerechter Sprache auf den gedanklichen Einbezug von weiblichen Beteiligten an dem in einem Nachrichtenartikel berichteten Sachverhalt, auf die wahrgenommene journalistisch-sprachliche Qualität des Artikels und auf die wahrgenommene Glaubwürdigkeit der Quelle. Dabei wurden mit dem Gender-Stern und dem Gender-Doppelpunkt auch erstmals inklusivere Gender-Formen miteinbezogen. Es wurde eine experimentelle Online-Befragung durchgeführt (N=406). Das verwendete Untersuchungsdesign war einfaktoriell, die unabhängige Variable „Personenbezeichnungsform“ wurde systematisch auf vier Stufen variiert (generisches Maskulinum/Mischform aus Neutralisierung und Beidnennung/Gender-Doppelpunkt/Gender-Stern).
Die statistische Auswertung der Daten ergab Folgendes: Die Verwendung von geschlechtergerechter Sprache in Nachrichtentexten führt bei den Leser:innen zu einem stärkeren gedanklichen Einbezug von Frauen, ohne dabei deren Urteil über die journalistisch-sprachliche Qualität des Textes zu verschlechtern. Bezüglich des gedanklichen Einbezugs von Frauen unterschieden sich nur die Gruppen des generischen Maskulinums und des Gender-Doppelpunkts signifikant. Außerdem führt die Verwendung von geschlechtergerechter Sprache im Vergleich zum generischen Maskulinum dazu, dass Leser:innen mit einer positiven Voreinstellung zum Gendern die Quelle des Artikels als glaubwürdiger bewerten. Wenn jedoch der Gender-Doppelpunkt verwendet wird, schätzen alle Leser:innen die Quelle des Artikels als glaubwürdiger ein. Basierend auf diesen Ergebnissen scheint sich der Gender-Doppelpunkt am besten von allen untersuchten Personenbezeichnungsformen für die Verwendung in einem Nachrichtentext zu eignen, da er den gedanklichen Einbezug von Frauen und die wahrgenommene Glaubwürdigkeit der Quelle erhöht, ohne die wahrgenommene journalistisch-sprachliche Qualität des Textes zu verschlechtern.