Kommentarbereiche auf Social Media und Nachrichtenwebseiten sind ein integraler Bestandteil politischer Onlinekommunikation. Jedoch weisen 22 – 44 % der Kommentare inzivile Merkmale auf (z. B. Coe et al., 2014; Su et al., 2018). Solche inzivilen Kommentare gelten als dysfunktional, da sie sich negativ auf Emotionen, Kognitionen und Handlungen auswirken können. Folglich bedarf es geeigneter Regulationsstrategien. Hierzu zählt nutzerseitige Counter Speech bzw. Gegenrede als aktives An- bzw. Widersprechen gegen inzivile Inhalte. Trotz ihrer zunehmenden kommunikationswissenschaftlichen Beachtung ist bisher offen, ob und inwieweit Gegenrede deliberativ formuliert sein muss, um einerseits als solche definiert werden zu können und andererseits als wirksame Regulationsstrategie zu fungieren. Die vorliegende Arbeit widmet sich daher unter Verwendung des inklusiven Deliberationskonzepts der Frage: Welche affektive, kognitive und konative Wirkung hat variierend deliberative Counter Speech als Reaktion auf Inzivilität in politischen Online-Diskussionen?
Hierzu wurde ein Online-Experiment (N = 461) unter Verwendung des SoSci-Panels durchgeführt. Die abhängigen Variablen waren: 1) negative Emotionen, 2) Bewertung a) der Kommentar-Inzivilität, b) der Gegenrede, c) sowie des deliberativen Diskussionsklimas, und 3) korrigierende Partizipationsintentionen. Proband:innen sahen einen Screenshot eines Facebook-Beitrags der Tagesschau, der u. a. einen inzivilen Kommentar enthielt. Entsprechend eines 2×2-Between-Subjects-Designs wurde die deliberative Qualität der Gegenrede eines Antwortkommentars anhand der Faktoren der (In-)Zivilität (inzivil vs. zivil) und Emotionalität (nicht emotional vs. emotional) variiert. Zusätzlich gab es eine Kontrollgruppe ohne Gegenrede. Die Ergebnisse zeigen, dass zivile Gegenrede im Vergleich zu inziviler Counter Speech sowie zur Kontrollgruppe die attestierten Effekte erzielt: eine Reduktion negativer Emotionen sowie Kommentar-Inzivilität und eine Verbesserung der Gegenrede-Bewertung und des deliberativen Diskussionsklimas. Zivile Gegenrede verbessert zudem die Intention zu korrigierenden Nutzer:innen-Reaktionen, jedoch nur im Vergleich zu inziviler Counter Speech und nicht zur Kontrollgruppe. Ferner besteht kein Haupteffekt für (nicht-)emotionale Gegenrede, aber einzelne Interaktionseffekte. Insgesamt ergänzen die Befunde den begrenzten Forschungsstand und ermöglichen den empirischen Einblick in das Verhältnis deliberativer Qualität von Gegenrede und ihrer Wirksamkeit.