transfer 28(2) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

A bot a day keeps the doctor away

Eine empirische Untersuchung zu Einstellungen gegenüber menschlichen und KI-Chatbots im Kontext mentaler Gesundheit

Der Gesundheitssektor ist nicht in der Lage, den steigenden Bedarf an psychologischer Beratung zu decken. Daher sind Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz, z. B. Chatbots, ein vielversprechender Ansatz, um diesem Problem entgegenzuwirken. Es wird davon ausgegangen, dass Menschen weitestgehend andere Menschen für Ratschläge bevorzugen, da diese sich mit dem eigenen sozialen Identitätsempfinden (Social Identity Theory) decken und eine höhere soziale Präsenz (Social Presence Theory) ausstrahlen.

Diese Studie untersucht anhand einer experimentellen Online-Befragung, inwiefern sich die Beratung zum Thema digitalem Stress auf die allgemeine Einstellung, wahrgenommene Glaubwürdigkeit und wahrgenommene Sozialkompetenz des Gesprächspartners auswirkt, je nachdem, ob die Beratung durch einen Menschen oder einen Chatbot erfolgt. Zudem wird untersucht, ob sich die Diskrepanz der genannten Einstellungsfaktoren in Abhängigkeit der KI-Aversion und Algorithmenkompetenz einer Person verringert. Hierzu wurde ein mixed-methods Design gewählt, um sowohl between- als auch within-Effekte festzustellen. Teilnehmende erhielten entweder eine negativ geframte, eine positiv geframte oder keine Informationsintervention über die Funktionsweise von Chatbots (between) und sahen nachträglich Chatverläufe mit je zwei menschlichen Gesprächspartnern und zwei Chatbots (within).

Die Ergebnisse zeigen, dass menschliche Gesprächspartner*innen in allen Einstellungsfaktoren besser wahrgenommen wurden, die Unterschiede sind jedoch gering. KI-Aversion und Algorithmenkompetenz hatten keine signifikanten Einflüsse auf die Diskrepanz. Nachrichtenbezogene Eigenschaften sind womöglich bedeutender für die Einstellung als – wie angenommen – die Eigenschaften der Beratenden. Die ausbleibenden Ergebnisse der vermittelten Algorithmenkompetenz werden damit erklärt, dass durch die Informationsintervention womöglich nur ein kurzzeitiger Lerneffekt erfolgte und keine ausreichende Kompetenzvermittlung, um KI dementsprechend einschätzen zu können. Dahingehend hat auch das Framing keinen signifikanten Einfluss gezeigt. Zukünftige Forschung sollte den Fokus auf andere Kompetenzstrategien richten, z. B. Erfahrungslernen. Die Ergebnisse sprechen jedoch für das Potential von Chatbots, als soziale Akteure wahrgenommen zu werden. Ein erhöhter Anthropomorphismus könnte zu einer noch geringeren Diskrepanz führen. Dies ist vielversprechend, um den Gesundheitssektor zu entlasten und neue Angebote für psychisch Erkrankte zu schaffen.