transfer 25(4) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

swipen und geswiped werden

Eine qualitative Interviewstudie zum Einfluss der Dating-App Nutzung auf das Selbstkonzept junger Frauen

Swipen, Matchen, Tindern. Als Applikation auf dem Smartphone ermöglichen Dating-Apps die Partner:Innensuche per Wisch (Swipe) auf dem Smartphone-Bildschirm. Die Einfachheit der Bedienung gilt dabei als Erfolgsfaktor von Dating-Apps. Aus soziologischer Sicht wird dies dahingehend kritisiert, dass durch die Schnelllebigkeit und Binärität in der Bewertung der Profile Menschen objektifiziert und zu „Konsumgütern“ (Illouz, 2020) werden. Trotz des Potenzials von Dating-Apps, die sexuelle Befreiung von Frauen zu unterstützen, können diese eine Ungewissheit dahingehend auslösen, dass Subjektivierung und Objektivierung kaum noch auseinanderzuhalten sind. Obwohl Dating-Apps in der bisherigen Forschung kein gänzlich unerforschtes Feld sind, wurde den individuellen Perspektiven von Nutzer:innen bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Hier möchte die Forschungsarbeit ansetzen und aufbauend auf dem theoretischen Hintergrund der Mediatisierung (Krotz, 2007) und des Selbstkonzepts (James, 1892) untersuchen, inwiefern dieses durch die Nutzung von Dating-Apps beeinflusst wird.

Die Themenanalyse der neun leitfadengestützen problemzentrierten Interviews mit Nutzerinnen von Tinder und/oder Bumble ergab dabei, dass Dating-Apps fester Bestandteil des Alltags geworden sind. Die Interviewteilnehmerinnen sehen diese als hilfreiches Tool, um die Partnersuche aktiv und eigenständig zu verfolgen. Dabei kommen sie mit neuen Lebensrealitäten außerhalb ihres gewöhnlichen Umfelds in Berührung, welche identitätsbildende Erfahrungen nach sich ziehen können und Perspektivwechsel zulassen. Gemeinsam mit der schnell verfügbaren Validierung durch Matches und Nachrichten kann die Nutzung das Selbstbild positiv stärken und zu einem Gefühl von Kontrolle, Selbstbestimmtheit, Selbstentfaltung und Empowerment beitragen. Gleichzeitig lösen die Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit auf Dating-Apps beklemmende Gefühle bei den Teilnehmerinnen aus, da diese mit dem Selbstbild im Konflikt stehen. Negative Erfahrungen wie Ghosting oder übergriffige Nachrichten können darüber hinaus einen bleibenden Schaden hinterlassen. Sie führen zu einem Gefühl von Wertlosigkeit, Frustration und starken Selbstzweifeln. Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass der Einfluss von Dating-Apps auf das Selbstkonzept stark abhängig von den individuellen Erfahrungen der Nutzerinnen und der persönlichen Reflexion der Ereignisse ist. Grundsätzlich ist dieser dennoch als gering beziehungsweise kurzfristig einzustufen. Grund dafür ist die emotionale Distanz, welche viele der Nutzerinnen von vornherein wahren. Ebenfalls sind für die Bildung der Identität und der Veränderung des Selbstkonzepts intimere Beziehungen zu Familie und Freund:innen wichtiger.