transfer 17(3) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

Truth is for Losers

Eine Studie zum Verhältnis von Lüge und Vertrauen im US-Wahlkampf 2012 unter Einfluss des politischen Fact-Checking

Das Verzerren von Wahrheiten zu eigenen Gunsten kann in nahezu jedem Wahlkampf beobachtet werden. Dennoch erscheint es paradox, dass ausgerechnet durch die moralisch verwerfliche Lüge das Vertrauen der Wähler gewonnen werden soll. Es stellt sich die Frage, ob Bürger überhaupt den moralischen Anspruch der Ehrlichkeit an Politiker stellen oder den Einsatz der Lüge als strategisches Instrument verzeihen. Vor allem in Bezug auf journalistisches Fact-Checking, das sich die Aufdeckung von politischen Lügen zur Aufgabe macht, gewinnt diese Frage an Brisanz.
In der Studie wurde das Verhältnis von wahrgenommenen Lügen der beiden Kandidaten, dem Vertrauen in diese und der Rezeption von Fact-Checkern untersucht. Hierzu wurde eine quantitative Online-Befragung unter US-amerikanischen Hochschulstudenten durchgeführt.
In der Auswertung zeigte sich ein starker negativer Zusammenhang zwischen der Lügenwahrnehmung und dem Vertrauen in Kandidaten. Es werden also durchaus moralische Ansprüche an Politiker erhoben – und bei Verletzung mit Vertrauensentzug bestraft. Überraschenderweise zeigte sich aber kein Zusammenhang zwischen der Rezeption von Fact-Checkern und der Wahrnehmung von Lügen. Letztere erfolgt also relativ unspezifisch, woraus sich ein moralisches Dilemma für Kandidaten ergibt. Spieltheoretisch gibt es für den einzelnen Politiker keine ökonomische Alternative zur Wahlkampflüge, denn Nicht-Lügen wird eventuell nicht wahrgenommen und somit auch nicht mit mehr Vertrauen belohnt.