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Still „Keep her where she belongs“? – Die Sensibilisierung gegenüber sexistischer Werbung durch die Medienberichterstattung über die #MeToo-Debatte

Die #MeToo-Debatte, die seit dem Aufdecken des Skandals um den US-amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein im Oktober 2017 breite Aufmerksamkeit fand, scheint bisher bei vielen Menschen ein stärkeres Bewusstsein für das Thema Sexismus geschaffen zu haben, zumindest was Sexismus auf zwischenmenschlicher Ebene betrifft. Nun stellt sich die Frage, ob solche Sensibilisierungseffekte auch für medial vermittelten Sexismus, insbesondere in der Werbung, die de facto einen hohen Anteil an diskriminierenden geschlechterstereotypen und sexualisierten Darstellungen aufweist, ermittelt werden können. Ihre besondere Brisanz erhält sexistische Werbung dadurch, dass sie nicht nur zu einem gewissen Grad gesellschaftliche Verhältnisse abzubilden vermag, sondern zur gleichen Zeit auch kulturelle Werte in die Gesellschaft kommuniziert. Folglich geben solche Darstellungen den Rezipienten Orientierungspunkte, prägen deren Einstellungen, was eine Frau und was ein Mann in unserer Welt zu sein haben und können im schlimmsten Falle das existierende Geschlechterungleichgewicht zulasten von Frauen noch vergrößern. Die vorliegende Arbeit untersucht, ob sich die Berichterstattung über die #MeToo-Debatte auf die Wahrnehmung und Bewertung von sexistischen Werbeanzeigen sowie auf die Verhaltensbereitschaft hinsichtlich dieser Anzeigen auswirken kann. Für die empirische Ermittlung wurde in einem als vierteilige Paneluntersuchung angelegten experimentellen Setting die Experimentalgruppe vor und nach der Rezeption eines Textes über die #MeToo-Debatte zu ihren Einstellungen gegenüber drei sexistischen Werbeanzeigen befragt, während die Kontrollgruppe keinen Text über die #MeToo-Debatte las. In Übereinstimmung mit dem theoretischen Konzept des kognitiven Medien-Primings konnte gezeigt werden, dass diejenigen Probanden, die einen Text über die #MeToo-Debatte lasen, nachfolgend rezipierte sexistische Werbeanzeigen schlechter und als unethischer beurteilten, als sexueller und geschmackloser empfanden sowie weniger Interesse an den beworbenen Produkten und Dienstleistungen zeigten, als Personen, die vor der Rezeption sexistischer Werbungen keinen Text über die #MeToo-Debatte lasen. Teilweise noch größere Einstellungsunterschiede zwischen Vor- und Nachher-Messung ließen sich bei Probanden der Experimentalgruppe finden, die eine eher sexistische Einstellung aufwiesen.