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Sexy Superheldin oder Jungfrau in Nöten

Eine Grounded–Theory–Studie zur Wahrnehmung weiblicher Videospiel-Charaktere

Große Brüste, ausladende Hinterteile und knappe Bekleidung – die sexualisierte und typisierte Darstellung von weiblichen Videospiel-Charakteren wurde bereits zahlreich belegt. Nicht nur die optischen Merkmale der Figuren, auch inhaltliche Aspekte der weiblichen Gaming-Charaktere folgen bis heute einem genderspezifischen Rollenbild. Dieses äußert sich oft in betont hilfsbedürftigen Charaktermodellen, auch bekannt als das Klischee der „Damsel in Distress“. Während der Fokus in der bisherigen Gaming-Forschung auf der Beschreibung dieser typisierten Merkmale liegt, rückt diese Studie die Wahrnehmung der Videospielenden selbst in den Fokus. Wie nehmen die GamerInnen die Darstellung weiblicher Charaktere wahr und welche Konsequenzen ziehen sie aus dieser Wahrnehmung?

Die Daten wurden anhand von qualitativen Leitfadeninterviews erhoben und mithilfe der Verfahrensweisen der Grounded Theory ausgewertet. So konnten die drei Kategorien „Wahrnehmung und Bewertung der Charaktere“, „intervenierende Bedingungen“ sowie „Auswirkungen auf das Spielverhalten der teilnehmenden GamerInnen“ erarbeitet und in Beziehung gesetzt werden.

Als Ergebnis der Arbeit kann festgestellt werden, dass die Mehrheit der Interviewten die durch die Forschung belegte Sexualisierung und Typisierung weiblicher Charaktere eindeutig als solche wahrnimmt. Die subjektiven Bewertungen der Videospielenden hinsichtlich dieser Darstellungsweisen sind sehr verschieden. Die rollenspezifische Typisierung der weiblichen Figuren, wie die Hilflosigkeit, wird überwiegend negativ bewertet. Dennoch führt diese negative Bewertung nicht zwingend zu einer Konsequenz bezüglich des eigenen Spielverhaltens – stattdessen akzeptieren die TeilnehmerInnen die sexualisierte Darstellung in den meisten Fällen. Es kann jedoch festgehalten werden, dass die Videospielenden ihre persönliche „Sexismus-Grenze“ zu haben scheinen. Erst wenn diese Grenze erreicht ist, ziehen die GamerInnen Konsequenzen, indem sie andere Spielercharaktere auswählen oder ein bestimmtes Spiel nicht mehr spielen. Jedoch liegt diese subjektiv gezogene Grenze aufgrund verschiedener intervenierender Bedingungen (z. B. Spaß am jeweiligen Spiel) sehr hoch und wird folglich selten überschritten. Sexismus in Videospielen ist demnach ein Thema, das die GamerInnen durchaus beschäftigt, allerdings gewichten sie andere Aspekte – hauptsächlich eine unterhaltsame Spielerfahrung – stärker.