Geschlechtergerechte Sprache gewinnt zunehmend an Bedeutung und wird auch von Journalist*innen immer häufiger verwendet.
Die Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, ob die Verwendung geschlechtergerechter Sprache durch die Aktivierung von Geschlechterstereotypen Einfluss auf die Interpretation journalistischer Texte nehmen kann. Eine theoretische Grundlage liefern bisherige Untersuchungen zu den kognitiven Effekten geschlechtergerechter Sprache und die Stereotypforschung.
Es wurden zwei Experimente anhand von Online-Fragebögen durchgeführt. Den Befragten wurde jeweils ein journalistischer Text vorgelegt, in dem ein Schadensfall thematisiert wird und sich die Frage stellt, wer die Verantwortung dafür trägt. Uneindeutig ist, ob die Schuld bei den beteiligten Fachkräften oder den ungünstigen Rahmenbedingungen liegt. Der Text wurde hinsichtlich der Personenbezeichnungen manipuliert – die Befragten wurden entweder der Versuchsbedingung „Generisches Maskulinum“, „Paarform“ oder „Gendersternchen“ zugeordnet. Die Schuldzuschreibung wurde direkt im Anschluss an die Präsentation des Primes gemessen. Außerdem erhoben wurden berufsbezogene Stereotype, geschlechtsspezifische Kompetenzstereotype, der Lesefluss und die Textästhetik.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass geschlechtergerechte Sprache weder Stereotype aktiviert, noch einen Einfluss auf die Schuldzuschreibung nimmt. Mögliche Bedenken aus diesen Gründen können demnach verworfen werden. Auffällig war jedoch, dass viele Befragte sich nicht an den verwendeten Stimulus erinnern konnte (geschlechtergerechte Sprache oder generisches Maskulinum). Die Textästhetik und der Lesefluss wurden von den Befragten durch die Verwendung geschlechtergerechter Sprache nicht als schlechter bewertet.
Es bleiben viele Fragen zum kaum erforschten Gendersternchen offen – weitere Untersuchungen könnten Aufschluss darüber geben, wie es im Vergleich zu anderen Formen geschlechtergerechter Sprache kognitiv wirkt.