Die Corona-Pandemie stellt eine der größten Herausforderungen seit dem Zweiten Weltkrieg dar. Impfungen gegen COVID-19 können laut Expert*innen Menschenleben schützen und helfen, die Pandemie nachhaltig zu bekämpfen. Obwohl weitgehend wissenschaftlicher Konsens besteht, dass Impfungen Schutz vor Krankheiten bieten und schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten sind, werden Impfungen in der deutschen Öffentlichkeit vergleichsweise kontrovers diskutiert. Wie ein Thema in der Bevölkerung wahrgenommen wird, entscheiden dabei nicht nur die Fakten, die präsentiert werden, sondern auch die Sichtweise, die ein Medienbeitrag auf ein bestimmtes Thema vermittelt.
Um zu verstehen, welche Blickwinkel in Medienbeiträgen angeboten werden, widmet sich diese Arbeit der Erforschung der verwendeten Frames von COVID-19-Impfungen in der deutschen Berichterstattung. Ein Frame wird im Sinne des Emphasis-Framing-Ansatzes als eine erzeugte Sichtweise auf ein Thema durch die Auswahl und Betonung bestimmter Aspekte verstanden und als eine Aussagenstruktur in einem Medienangebot definiert, die sich aus Problemdefinition, kausaler Interpretation, moralischer Bewertung sowie Handlungsempfehlung zusammensetzt. Ein weiteres Augenmerk der Arbeit liegt auf zeitlichen Veränderungen in der Darstellung in den ersten Monaten nach dem Beginn der Impfungen. Da in Deutschland zum Zeitpunkt der Untersuchung (Juli 2021) unter den zugelassenen Vakzinen zwei Impfstofftypen (mRNA- und Vektor-Vakzine) auszumachen sind, wird zudem erforscht, ob sich Unterschiede im Framing zwischen mRNA- und Vektor-besierten Vakzinen identifizieren lassen.
Als Untersuchungsobjekt dieser Arbeit diente die überregionale Tageszeitung Die Welt sowie ihre Sonntagsausgabe Die Welt am Sonntag. Untersuchungsgegenstand waren 249 Artikel aus dem Zeitraum Dezember 2020 bis Mai 2021. Zur Beantwortung der Fragestellung wurden mithilfe einer quantitative Framing-Analyse zunächst die vier genannten Frame-Elemente inhaltsanalytisch erfasst und anschließen mit einer hierarchischen Cluster-Analyse mit Ward-Verfahren zu typischen Mustern zusammengefasst. Vier Muster oder Frames konnten im deutschen Diskurs identifiziert werden: „Kritik an Beschaffung und Impfgeschwindigkeit“, „Impffortschritt dank Wissenschaft“, „Politische Debatten“ sowie „Schutz und Sicherheit“. Insgesamt fällt auf, dass anders als in vorherigen Impfdebatten stärker über gesamtgesellschaftliche Entwicklungen wie den Impffortschritt als individuelle Vor- und Nachteile einer Impfung diskutiert wird. Der Fokus der Debatte ist zudem politischer als in früheren Impfdiskursen. Des Weiteren ist auffällig, dass der positive Frame „Impffortschritt dank Wissenschaft“ besonders stark zu Beginn der Impfungen vertreten ist, während im weiteren Verlauf der Debatte der Frame „Kritik an Beschaffung und Impfgeschwindigkeit“ an Bedeutung gewinnt. Beim Vergleich der Impfstofftechnologien zeigte sich ebenfalls ein Unterschied: Der Frame „Impffortschritt dank Wissenschaft“ wird häufiger bei mRNA-basierten Vakzinen, der Frame „Kritik an Beschaffung und Impfgeschwindigkeit“ dagegen häufiger bei Vektor-basierten Impfstoffen verwendet.