Mobile Medien nehmen eine immer präsentere Rolle in der modernen Gesellschaft ein. Insbesondere in ihrer Form als zwischenmenschliches Kommunikationsmedium tragen sie in einer Welt, die permanently online und permanently connected (Vorderer et al., 2017) ist, zu der Entstehung einer gesellschaftlichen Verfügbarkeitsnorm bei. Wie und wann dadurch entstehender Erreichbarkeitsdruck auf das psychische Befinden wirkt, wird in dieser Studie beleuchtet. Als theoretische Fundierung legt die Arbeit hierzu die Annahmen des Integrative Model of Mobile Media Use and Need Experiences (IM³UNE; Schneider et al., 2022) zugrunde. Gleichzeitig stellt sie neben Lutz et al. (2022) eine der ersten empirischen Überprüfungen ebendieses Modells dar.
Das IM³UNE integriert neben der Basic Psychological Needs Theory (Ryan & Deci, 2000) auch das Kohärenzgefühl nach Antonovsky (1987) und vertritt einhergehend eine salutogene Perspektive. Somit wird in der vorliegenden Studie untersucht, inwiefern durch mobile Medien induzierter Erreichbarkeitsdruck nicht nur auf das Unwohlsein, sondern auch auf das Wohlbefinden von Nutzenden wirkt. In diesen individuellen Beurteilungsprozess wird die Selbstkontrolle als personenspezifisches Merkmal und die sechs Bedürfniserfahrungen (die Befriedigung sowie Frustration der drei Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Verbundenheit) als situationsbedingte Faktoren miteinbezogen.
Zur empirischen Überprüfung wurde Erreichbarkeitsduck in einem präregistrierten experimentellen Vignettendesign (N = 274) durch audiovisuelle Stimuli auf zwei Faktorstufen induziert (hoher vs. niedriger Erreichbarkeitsdruck). Neben einem Manipulationscheck wurden Selbstkontrolle als Moderator, die sechs Bedürfniserfahrungen als Mediatoren, sowie die abhängigen Variablen Wohlbefinden (operationalisiert durch Affekt) und Unwohlsein (operationalisiert durch Stress) erhoben.
Daraus hervorgehende Ergebnisse stimmen größtenteils mit den theoretischen Explikationen des IM³UNEs überein: Das Erleben von Erreichbarkeitsdruck steht signifikant mit nahezu allen Bedürfniserfahrungen in Beziehung, wodurch sowohl Affekt als auch Stress indirekt induziert werden. Lediglich die Pfade über Kompetenzbefriedigung und Verbundenheitsfrustration können nicht nachgewiesen werden. Das salutogene Persönlichkeitsmerkmal Selbstkontrolle wirkt signifikant auf zwei der 18 postulierten Beziehungen: Als Puffermechanismus, der das Wohlbefinden fördert, mildert sie den negativen Effekt von Erreichbarkeitsdruck auf die Autonomiebefriedigung ab. Entgegen den Annahmen wird der Effekt von Autonomiefrustration auf Stress durch hohe Selbstkontrolle verstärkt. Implikationen der gefundenen Ergebnisse werden neben Limitationen der Studie diskutiert.