Kontakt mit Nachrichten ist in der heutigen „high-choice media environment“ kaum vermeidbar, da diese ständig und überall auftauchen. Demnach erfolgt zufälliger Kontakt mit Nachrichten („incidental news exposure“), welcher nicht intentional (mit dem aktiven Ziel der Informiertheit) erfolgt. In den vergangenen Jahren entwickelte sich eine Veränderung der medialen Informationsumgebung und Nutzungsgewohnheiten, wobei besonders junge Erwachsene weniger Interesse an Nachrichten zeigen und die Nachrichtenrezeption über algorithmisch personalisierte Kanäle bevorzugen. Vor dem Hintergrund generationsspezifischer Mediennutzungs- und Verhaltensweisen, die langfristig zu einem Medienwandel führen können, muss das Phänomen der incidental news exposure (INE) besonders bei jungen Erwachsenen beobachtet werden.
Vorherige Forschungsarbeiten untersuchten INE besonders im Online-Kontext und bezogen sich weniger auf das situative Auftreten und den Umgang mit INE als auf die (positiven) Effekte. Besonders die Auswirkungen von INE auf (politisches) Wissen und Partizipation wurden betrachtet. Diese Arbeit bezieht das Phänomen auf das gesamte Informationsrepertoire und ergänzt den bisherigen Forschungsstand um eine detaillierte und kontextbezogene Beschreibung, wie INE erlebt wird und welche Auswirkungen die zufällige Nachrichtenexposition auf das tägliche Leben hat.
In den qualitativen Leitfadeninterviews berichten die jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren von ihrer individuellen Nachrichtennutzung mit Fokus auf die Bewertung und Wahrnehmung von INE sowie Determinanten von news engagement. Das transkribierte Material wird mit der Themenanalyse (Froschauer & Lueger, 2020) ausgewertet.
Die Interviews offenbaren, dass soziale Medien, algorithmenbasierte Vorschläge und persönliche Gespräche häufig Berührungspunkte junger Erwachsener mit INE sind. Hierbei wird INE als positiv bewertet, da es (mit geringen Kosten) zu Informationsgewinn führt und „Mitreden“ ermöglicht. Andererseits werden Auswirkungen auf die mentale Verfassung oder das Bemerken von Wissensillusionen negativ bewertet. Es zeigt sich, dass INE elementarer Bestandteil der Nachrichtennutzungsroutinen junger Erwachsener ist und oftmals häufiger als intentionaler Nachrichtenkontakt erfolgt. Hierbei verlassen sich junge Erwachsene sogar darauf, INE zu erleben und, im Sinne von News-finds-me-perceptions, von Nachrichten „gefunden“ zu werden, um informiert zu bleiben, ohne aktive Bemühungen zu veranlassen. Abschließend werden positive sowie negative demokratische Effekte wie z.B. Nachrichtenvermeidung als gesellschaftlich relevante Folge von INE reflektiert.