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„If you dream it, you can’t do it.“

Eine soziologische Filmanalyse der Inszenierung der Traumsequenzen in „I’m thinking of ending things“

Die metaphorische Bezeichnung der Filmleinwand als dream screen zeigt die enge Verflechtung von Film und Traum. In „I’m thinking of ending things“ stellt sich der mit Beginn des Films eingeführte und im Verlauf dominierende Handlungsstrang, in dem eine junge Frau mit ihrem festen Freund aufbricht, um dessen Eltern kennenzulernen, als irreale Innenwelt eines tagträumenden und halluzinierenden Hausmeisters heraus. Ein plot twist, der durch die realistisch gestalteten und ausgedehnten Traumdarstellungen als falsche Fährte möglich wird. Zeitgleich zeigt sich durch die falsche Fährte eine Spielart des Mindgame-Films nach Elsässer (2009). Mithilfe einer soziologischen Film- und Fernsehanalyse nach Keppler und Peltzer (2015) verfolgte die Arbeit das Ziel einer eingehenden Betrachtung der ästhetischen Gestaltung und Markierung der Traumsequenzen sowie ihrer narrativen Funktionen. In einem zweiten Analyseschritt erfolgte die Verortung der Traumsequenzen im Feld des Mindgame-Films.

Das theoretische Fundament der Arbeit fußt auf der Darlegung verschiedener Ausgestaltungsmöglichkeiten von Traumsequenzen. Angelehnt an Reck (2010) ließ sich hierbei der Arbeitsbegriff des traumhaften Erzählens formulieren, welcher nicht nur Nachtträume sondern auch traumaffine Zustände Zustände wie Tagträume, Visionen, Halluzinationen und Fantasien umschließt. Ausschlaggebend für eine Einordnung als traumhaft ist der Kontrollverlust des träumenden Protagonisten. Besonderes Augemerk lag hierbei auf dem retroaktiven Modus, der rückwirkenden Markierung einer Sequenz als traumhaft. Darauf aufbauend fand eine Definition der Spielart des Mindgames im Film sowie der die Spielart auszeichenenden Elemente statt.

Insgesamt entsteht hinsichtlich der Inszenierung der Traumsequenzen in „I’m thinking of ending things“ das Bild einer breit angelegten falschen Fährte, auf die die Zuschauenden mit Einsetzen der Handlung gelockt werden. Changierende Genrekonventionen, multiple non-lineare Modi, Kontraste zwischen Stabilität und Verwirrung in sequenzimmanenter Markierung und Randmarkierungen sowie Dominanz in Länge und Platzierung der traumhaften Sequenzen halten die falsche Fährte aufrecht. Erst durch ein rückwirkendes Verdichten der sequenzimmanenten Markierungen sowie großen kognitiven Aufwand durch die Zuschauenden ist kausale Sinnkonstruktion und eine Enttarnung der wahren filmischen Diegese sowie der wahren Fokalisierung möglich. Erst dann offenbart sich der innenweltliche Fokus des Films mit Jake, dem Hausmeister, im Zentrum, der Angst vor seinem ihm unaus-weichlich erscheinenden Tod hat. Mangels einer eindeutigen Endmarkierungen scheint Kaufmans-Intention, „that upon repeated viewings you can have a different experience” (Johnson, 2006, S. 164) aufzugehen.