Seit spätestens 2019 ist die Entwicklung eines filmischen Trends, der die Konventionen des Kostümfilms durchbricht, deutlich erkennbar: Vor idyllischen Kulissen, in historischen Kostümen werden auf der Leinwand nicht nur Hochzeiten gefeiert und Mitgift gestiftet, sondern auch lesbische Beziehungen inszeniert. Drei Filme – Portrait d’une jeune fille en feu (Sciamma, 2019), Ammonite (Lee, 2020) und The World to Come (Fastvold, 2020) – werden als musterhafte Repräsentanten dieses Phänomens betrachtet und so die inhaltlichen wie ästhetischen Gemeinsamkeiten herausgearbeitet.
Aus (film)feministischer Forschung, Gender und Queer Studies wird der rote Faden geflochten, der das vorliegende Phänomen umspannt. Dabei wird Laura Mulveys Konzept des male gaze verwendet um zu demonstrieren, wie die vorliegenden Filme ebendiesen systematisch dekonstruieren und durchbrechen. Besonders ausschlaggebend sind hierbei die Werke von Teresa de Lauretis, Judith Butler, Mary Ann Doane und Barbara Creed. So lässt sich durch die Verleugnung traditionell erotisierender Filmkonventionen eine Neuverhandlung visueller Lust herausarbeiten, in der Frauen zugleich als Objekt wie Subjekt dargestellt werden. Sie sind die Treiberinnen der Handlung indem sie eine aktive sexuelle Rolle übernehmen, Rebellinnen gegen das heteronormative Patriarchat.
In sowohl Inhalt als auch visueller Präsentation bricht der lesbisch-zentrierte Kostümfilm mit traditionellen binären Strukturen wie Subjekt und Objekt, aktiv und passiv oder in und außerhalb der Gesellschaft. Narrativ stark von weiblichen Themen und queerem Begehren durchdrungen wirft er ein feministisches Licht auf lesbische Beziehungen, ohne diese als schwesterliche Liebe oder Solidarität abzutun, während visuell an einer nicht von den Blicktraditionen des male gaze beschwerten Ausdrucksweise von Begehren gefeilt wird – hier als lesbian gaze bezeichnet.
Durch den Bruch des heterosexuellen Gesellschaftsvertrags gehen die Frauen, ob materiell oder kognitiv, in ein Dazwischen sozialer Existenzen ein, wodurch historische Einschränkungen verdeutlicht und aktuelle lesbophobe Strukturen kritisiert werden. Es kristallisiert sich ein bewusst queerfeministisches, nahezu aktivistisches Genre heraus, das sich dem gesellschaftlichen Diskurs der Gegenwart bewusst ist und Schritte unternimmt, Einfluss auf dessen Entwicklung zu nehmen.