transfer 27(2) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

Glaubwürdigkeit von und Reaktionen auf Fake News

Eine experimentelle Untersuchung zum Einfluss von sozialen und warnenden Hinweisen auf Facebook am Beispiel des Tempolimits

Fake News werden von Privatpersonen oft nicht als solche erkannt. Insbesondere politische Parteigänger*innen glauben Fake News eher und verbreiten sie über soziale Medien, wenn diese ihrer eigenen Meinung entsprechen.
Das kann schwerwiegende politische Folgen haben. Eine Möglichkeit, Informationen als irreführend zu erkennen, sind Warnhinweise von Faktenprüfer*innen. Diese Warnhinweise sind jedoch nicht die einzigen möglichen Informationen, die die Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit von Fake News durch die Nutzer*innen sozialer Medien beeinflussen können. Darüber hinaus gibt es auch soziale Hinweise, z. B. wenn ein/e Freund*in eine bestimmte Fake News empfiehlt. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit von Fake News bei Parteigänger*innen in einem Konflikt durch Warnhinweise und Empfehlungen von Freunde*innen beeinflusst wird.

Die vorliegende Analyse basiert auf einem 2x2x2-between-subjects Experiment unter Befürworter*innen und Gegner*innen des Tempolimits auf der deutschen Autobahn (N=522). Die Teilnehmer*innen wurden nach dem Zufallsprinzip einem Fake-News-Facebook-Post der nicht existierenden Nachrichten-Website „Magazin24“ ausgesetzt („Neue Studie zeigt: Tempolimit bringt weder Sicherheit noch CO2-Reduktion“). Der Post variierte hinsichtlich des Warnhinweises (Faktor 1: mit/ohne Hinweis) und hinsichtlich der Empfehlung eines Freundes bzw. einer Freundin (Faktor 2: mit/ohne Empfehlung; ähnliche Vorgehensweise: Kaiser et al., 2021). Außerdem wurde die Meinung der Teilnehmenden zum Tempolimit berücksichtigt (Quasi-Faktor 3: Gegner*in/Befürworter*in). Nach der Exposition wurden die Teilnehmenden gefragt, wie glaubwürdig der Beitrag ist und wie wahrscheinlich es ist, dass sie aktiv auf den Beitrag reagieren würden (korrigierende/disseminative Maßnahmen).

Die dreifache ANOVA zeigt, dass weder der Warnhinweis noch die Empfehlung des Freundes die wahrgenommene Glaubwürdigkeit des Beitrags oder die Reaktionen der Teilnehmer*innen beeinflussen. Nur die themenspezifische Einstellung der Teilnehmenden war entscheidend: Die Gegner*innen des Tempolimits hielten den Beitrag für deutlich glaubwürdiger als die Befürworter*innen. Die Gegner*innen verbreiteten den Beitrag auch eher weiter (z. B. durch Teilen), während die Befürworter*innen ihn eher korrigierten (z. B. durch Kommentare). Die Glaubwürdigkeit war ein starker Vermittler zwischen der politischen Meinung und den korrigierenden/disseminierenden Maßnahmen

Das Ergebnis, dass Parteigänger*innen eher Fake News glauben und verbreiten, wenn diese mit ihrer Meinung übereinstimmen, unterstützt die Ergebnisse früherer Studien. Es ist jedoch bemerkenswert, dass Partisanen sich von Warnhinweisen und Empfehlungen von Freund*innen nicht irritieren oder beeinflussen lassen. Die Ergebnisse deuten aber auch darauf hin, dass die Nutzer*innen bereit sind, Fake News zu korrigieren, die nicht mit ihrer Meinung übereinstimmen. Eine Lösung könnte also darin bestehen, dass die Plattformanbieter*innen ihre Nutzer*innen zu konstruktiven Korrekturmaßnahmen motivieren oder ein besseres Umfeld für solche Maßnahmen schaffen. Vielleicht sind substanzielle Kommentare von anderen Nutzer*innen wirksamer als Warnhinweise von professionellen Faktenprüfer*innen, um die Verbreitung von Fake News zu verhindern.