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Eltern zwischen Vorbildfunktion und habitualisierter Mediennutzung

Eine qualitative Studie zum elterlichen Medienhandeln aus Kinderperspektive

Unter dem Blickwinkel des Mediengenerationenansatzes lassen sich beim Medienhandeln in der Familie diverse Medienaneignungs- und Aushandlungsprozesse zwischen verschiedenen Generationen beobachten. Für Kinder stellt die Familie die allererste Instanz dar, in der sie durch die Eltern mit Medien in Berührung kommen. Im späteren Verlauf und mit zunehmendem Alter tragen aber auch sie neue Medien und Nutzungsweisen in die Familie und an die Eltern heran und erweitern so allgemein das familiäre, aber auch speziell das elterliche Medienrepertoire.

Eltern stehen in dieser Konstellation häufig vor großen Herausforderungen: Sie stellen mit ihrer eigenen Medienbiografie, ihren persönlichen Mediennutzungsvorlieben und ihrer Medienkompetenz einen Dreh- und Angelpunkt im Rahmen der Familie dar, der das familiäre Medienhandeln und vor allem das der Kinder moderiert und reglementiert. In diesem Zusammenhang befinden sich Eltern in einem Balanceakt zwischen eigenen habitualisierten Mediennutzungsgewohnheiten und dem Bestreben, eine Vorbildfunktion gegenüber der Kinder einzunehmen sowie Mediennutzungsregeln für Kinder akzeptabel zu vereinbaren und durchzusetzen.

Da bisherige Forschung zu diesem Sachverhalt oftmals nur die Perspektive der Eltern berücksichtigt, verfolgt die vorliegende Forschungsarbeit dazu konkret folgende Fragestellungen: Wie erleben Kinder das elterliche Mediennutzungsverhalten? Zur Klärung dieser Forschungsfragen wurden neun leitfadengestützte Interviews mit elf- und zwölfjährigen Kindern durchgeführt. Zur Auswertung wurden (medienethnografische) Portraits erstellt, welche die Wahrnehmungen, Empfindungen und Bewertungen sowie das familiäre Leben und Miteinander erfassen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Wahrnehmungen und Empfindungen der Kinder komplex und kontextabhängig sind. Ebenfalls bedürfen sie der Berücksichtigung von individuellen Situationen, sozialen Prozessen und etablierten Verhaltensweisen innerhalb der Familie. Es zeichnet sich ein rudimentäres Muster ab: In Familien, in denen Aufmerksamkeit gegenüber der kindlichen Mediennutzung, grundsätzliche Zuneigung und ein respektvoller Umgang gepflegt wird, empfinden Kinder elterliche Mediennutzung maßgebend auf harmonischer Basis – das Medienhandeln wird gut reguliert erlebt und Regeln zur Mediennutzung akzeptiert. Dem gegenüber stehen die Familien, in denen die Kinder nicht in erster Linie von großer elterlicher Aufmerksamkeit, gemeinsamen Mediennutzungsmomenten in der Familie und der Gewissheit über stetige Zuneigung berichten, in denen die kindliche Mediennutzung häufig im Alleingang geschieht und in denen partiell ein ‚robuster‘ Ton auftritt: Hier entstehen im Zuge der Medienreglementierung und im Hinblick auf das Erleben der elterlichen Mediennutzung häufig Gefühle von Ungerechtigkeit auf Seiten der Kinder, was Konfliktpotential birgt.