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Die Theorie der Schweigespirale im Kontext kollektiver Gesundheitsthemen

Inwiefern lässt sich die Theorie der Schweigespirale im Kontext der Corona-Pandemie anwenden?

Eine der bekanntesten Theorien zur Erklärung von Prozessen der öffentlichen Meinungsbildung ist die Theorie der Schweigespirale von Noelle-Neumann.  Sie vertritt die Annahme, dass die Wahrnehmung eines bestimmten Meinungsklimas einen Einfluss auf die eigene Redebereitschaft hat. Hintergrund dieses Verhaltens ist die sogenannte Isolationsfurcht, welche Individuen veranlasst, ihre Umwelt zu beobachten und wahrzunehmen. Auf Basis dieser Umweltwahrnehmung wird ein bestimmtes Meinungsklima identifiziert, nach dem Individuen ihre Redebreitschaft richten. Individuen, die ein feindliches Meinungsklima wahrnehmen, in dem ihre eigenen Ansichten unterrepräsentiert sind, tendieren demnach dazu über ihre Meinung zu schweigen. Während sich Forschungen zur Theorie der Schweigespirale meist auf die politische Kommunikation beziehen, widmet sich diese Arbeit der Corona-Pandemie und damit der Gesundheitskommunikation. Aufgrund der hohen Relevanz der Thematik und ihres kontroversen Charakters, sind die Voraussetzungen  zur Anwendung der Theorie gegeben. Die zentralen Hypothesen dieser Studie prüfen u.a. die Effekte von moralischer Ladung, Selbstbewusstsein und Themeninteresse auf die Entstehung der Schweigespirale.

Zur Überprüfung der Annahme wurde ein Online-Experiment (N = 242) durchgeführt. Die Befragten wurden dabei in ein fiktives Szenario versetzt. Die empirischen Ergebnisse der Varianzanalysen unterstützen die zentrale Annahme, dass das Meinungsklima einen Einfluss auf die Redebereitschaft hat. Personen, die sich in der Minderheit sehen, zeigen eine geringere Redebereitschaft. Insgesamt können 5,0 Prozent der Varianz der Redebereitschaft durch das Meinungsklima erklärt werden, womit der Effekt relativ klein ausfällt. Zudem sprechen die Analysen für eine moderierende Wirkung der moralischen Ladung. Der Effekt der Schweigespirale verstärkt sich durch die moralische Ladung der Thematik. Es liegt ein Interaktionseffekt zwischen der moralischen Ladung und dem Meinungsklima hinsichtlich der Redebereitschaft vor. Insgesamt werden dabei 16,0 Prozent der Varianz der Redebereitschaft erklärt.