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Die Online-Kommunikation der Querdenker:innen

Akteur:innen, Praktiken und Affordanzen in der Corona-Gegenöffentlichkeit

Die in der Corona-Pandemie aufgekommene Querdenken-Bewegung erregt Aufsehen in der Medienberichterstattung, wo sie häufig als Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt diskutiert wird. Digitale Plattformen sollen dabei eine maßgebliche Rolle als alternative Kommunikationskanäle für die Bewegung spielen und zur gezielten Verbreitung von Verschwörungstheorien und Falschnachrichten genutzt werden. Aus diesem Anlass untersucht die Studie welche Rolle digitale Medien für die Querdenken-Bewegung spielen und wie sie genutzt werden, um im Kontext der Corona-Pandemie Gegenöffentlichkeiten herzustellen und Proteste zu organisieren. Ziel der Arbeit ist es, Erkenntnisse zu einem aktuellen gesellschaftspolitischen Phänomen zu generieren und bestehende theoretische wie auch methodische Lücken in der Erforschung sozialer Medien und Protestöffentlichkeiten zu adressieren.

Die Literatur zu Gegenöffentlichkeiten, Protestbewegungen und sozialen Medien wird zunächst kritisch reflektiert. Um differenzierte Erkenntnisse über das Nutzungs- und Protestverhalten der Querdenker:innen online zu gewinnen, wird der Ansatz der Medienpraktiken herangezogen. Durch die Verknüpfung mit den Konzepten Gegenöffentlichkeit und Affordanzen, werden Medienpraktiken als Kernelement von Gegenöffentlichkeit etabliert und Soziale Medien als digitale Infrastrukturen, die diese Praktiken ermöglichen und einschränken und durch ihre technische Beschaffenheit beeinflussen.

In der empirischen Umsetzung wird eine quantitative Inhaltsanalyse von öffentlichen Facebook-, Twitter- und Telegrambeiträgen (n=2125) durchgeführt. Die Medienpraktiken werden in den Dimensionen Akteur:innen, Themen, Praktiken, Affordanzen und Reaktionen ermittelt und nach Plattformen sowie auf den Einfluss externer Ereignisse verglichen. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Querdenker:innen soziale Medien vordergründig nutzen, um Informationen zu verbreiten und Kritik an den Corona-Maßnahmen sowie der Politik sichtbar zu machen. Über Twitter werden Informationen und Meinungen entlang von Hashtags distribuiert und Facebook dient eher dem internen Austausch, während Telegram mehr zur Mobilisierung zu und Koordinierung von Protesten zum Einsatz kommt. Entgegen der in der Öffentlichkeit geäußerten Annahme, zeigt sich, dass Telegram am wenigsten durch die Verbreitung von Verschwörungstheorien geprägt ist. Stattdessen lassen sich in den Hashtag-Öffentlichkeiten von Twitter mehr verschwörungstheoretische Beiträge feststellen, die signifikant mehr Aufmerksamkeit generieren.