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Antisemitismus in der radikalen Linken und seine Abhängigkeit vom Medienbild und der Medienpräferenz

Die Existenz eines Antisemitismus von links mag überraschend klingen, neu allerdings ist die Annahme dieses Phänomens nicht. Das neue an dieser Arbeit ist die Hinwendung zu den Linken in der Publikumsrolle. Dazu wurden in einer standardisierten Online-Befragung 218 Personen, von denen 187 als linksradikal anzusehen sind, befragt.

Tatsächlich besteht in der pro-palästinensischen oder antizionistischen Linken ein systematisch auftretendes Antisemitismusproblem. Einzelne antisemitische Ressentiments hängen miteinander zusammen und verdichten sich nicht selten zu einem Antisemitismus. Aus den abgefragten Ressentiments erfolgt die Bildung eines Antisemitismus-Scores (A-Score) für Linke. Diesem Score zufolge können 17 Prozent der linken Teilnehmer als Antisemiten eingestuft werden. Weitere 21 Prozent besitzen Abgrenzungsprobleme zum Antisemitismus. Antisemitismus hängt in der Studie mit einer einfachen und dichotomen Denkweise zusammen, floriert interessanter Weise aber auch unter Pazifisten.
Antisemitismus entpuppt sich als Ordnungsfaktor für linke Leserschaften, da diese sich nur bei ähnlichen Werten auf dem A-Score signifikant überschneiden. Eklatant ist die Neigung zum Antisemitismus unter den Lesern marxistisch-leninistischer Blätter. Taz-Leser hingegen unterscheiden sich auf dem A-Score nicht von der restlichen Stichprobe. Außerdem steigen antisemitische Einstellungen mit dem Glauben an eine manipulierende Wirkungsmacht der Medien auf das Bewusstsein anderer.