Astroturfing ist eine Strategie der verdeckten, manipulativen Verbreitung von Informationen, die darauf abzielt, den Anschein von autonom handelnden Einzelpersonen zu erwecken und gleichzeitig eine bestimmte politische Agenda zu unterstützen. In jüngster Zeit wurde die Strategie insbesondere von staatlichen Akteuren zur Meinungsbildung genutzt, wie im Falle Russlands bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 (Allcott & Gentzkow, 2017; Bessi & Ferrara, 2016; Lee, 2017). In diesem Zusammenhang werden Astroturfing-Botschaften oft als Benutzerkommentare unter den journalistischen Nachrichten professioneller Anbieter in Social Media verbreitet.
Ziel der Master-Arbeit war es, die Bedeutung der psychologischen Reaktanz im Rahmen psychologischer Impfungen gegen russische Astroturfing-Kommentare vor dem Hintergrund verschiedener Themen und Messzeitpunkte zu untersuchen. Im Einklang mit bestehenden Studien wurde Reaktanz durch zwei Dimensionen abgedeckt: kognitive Reaktanz als kritische Verarbeitung der Inhalte oder Gegenargumentation (Compton & Pfau, 2005) und affektive Reaktanz als emotionale Zustandsreaktanz wie das Empfinden von Ärger (Brehm, 1966; Dillard und Shen, 2005). Zur Erhebung der Daten wurde ein quantitatives Online-Experiment im Mehrgruppen- und Längsschnitt-Design durchgeführt (N = 2.535).
Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass Reaktanz zu geringeren Veränderungen in den individuellen Einstellungen und Wahrnehmungen des Meinungsklimas sowie zu erhöhten Verhaltensabsichten von geimpften im Vergleich zu nicht geimpften Personen führen kann. Der Widerstand gegen überzeugende Astroturfing-Kommentare wird entweder durch kognitive und affektive Reaktanz oder – wie bei allen Themen – nur durch affektive Reaktanz vermittelt. Die Bedeutung der Reaktanz im Widerstandsprozess zeigt sich insbesondere bei der Impfstrategie Refutational same, in der die gleichen Argumente der folgenden Angriffsbotschaft genannt werden, sowie am Giftgasangriff in Syrien, der im Vergleich zu den beiden anderen Themen (Manipulation der US-Wahlen und Vergiftung des Geheimagenten Skripal) besonders emotional und dramatisch ist. Wie in anderen Impfstudien (Pfau & Burgoon, 1988) sind die Effekte in dieser Studie eher kurzlebig und basieren auf kontroversen (politischen) Themen (Banas & Rains, 2010; Pryor & Steinfatt, 1978).