Diese Arbeit untersucht der Repräsentationsdynamiken ethnischer Diversität im deutschen Fernsehen. Konkret liegt der Fokus auf deren Inszenierung in der populären Krimi-Reihe Tatort. Vorherige Studien haben sich primär auf sogenannte Themen-Tatorte bezogen, bei denen Migration als handlungstreibender Rahmen diente. Deren Ergebnisse stehen somit in einem eher stigmatisierendem Kontext, der dem eher offen angelegten Feld der Diversität gegenübersteht. Das Ziel dieser Studie besteht somit insbesondere darin, mögliche Brüche in stereotypen und klischeehaften Darstellungsmustern ohne einen solchen expliziten Bezug auszumachen und nicht zu deren Reproduktion beizutragen.
Im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse wurden drei Beispielfolgen anhand aspektgeleiteter Szenenprotokolle untersucht. Der Berliner Tatort DER GUTE WEG (2019), der Göttinger Tatort DAS VERSCHWUNDENE KIND (2019) und der Bremer Tatort NEUGEBOREN (2021). Die Episoden wurden nach einer Reihe von Kriterien ausgewählt, die die Aktualität berücksichtigen und eine inhaltliche und produktionsbezogene Vergleichbarkeit ermöglichen. Darüber hinaus war es aufgrund des audiovisuellen Materials wichtig, die zu analysierenden Filmszenen anhand detaillierter Szenenprotokolle zu verschriftlichen. Auf diese Weise konnte eine aspektbasierte Vorauswahl relevanter Inhalte getroffen werden. Neben deduktiven und induktiven Kategorien wurden die Szenen schließlich zusammen mit formalen, filmtechnischen Kategorien codiert.
Insgesamt hat sich gezeigt, dass die als deutsch inszenierten Figuren in der Überzahl sind, während diejenigen mit Migrationshintergrund stets in irgendeiner Form über diesen charakterisiert werden. Ablehnende Haltungen werden jedoch in allen drei Filmen vorrangig auf der Werte-Ebene ersichtlich, die durch Handlungen und Ideologien der Figuren vorangetrieben werden. Dementsprechend bleiben die Bemühungen sichtbar, kulturelle oder ethnische Differenz bei gleichzeitigem Aufrufen nicht als handlungstreibende Motive zu markieren. Gleichzeitig lässt sich eine marginale Vielschichtigkeit der Darstellungsformen von Konzepten kultureller oder ethnischer Identitäten ausmachen. Auch herkunftsbezogene Stereotype und weitere Differenzkategorien wurden in den Beispielfolgen wiederholt aufgerufen, allerdings häufig durch Stilmittel wie Ironie dekonstruiert oder problematisiert.
Einen relevanten Aspekt in allen Folgen stellten darüber hinaus die Millieubezüge dar, innerhalb derer nicht nur der überwiegende Anteil stigmatisierender Stereotype und Vorurteile inszeniert wurde, sondern auch Unterschiede in der geschlechtlichen Rollenverteilung sowie die klischeehafte Konnexion von Armut und Migrationshintergrund ausgemacht werden konnten. Das Verhältnis von Kriminalität und Migration ist allen Tatorten inhärent, doch wird diese durch die Gegenüberstellung von positiven Bildern migrantischer und negativen Funktionen der als deutsch inszenierten Figuren ausgewogener verteilt.