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Zwischen Selbstermächtigung und Nebenerwerb – Nutzungsmotive von Content-Produzentinnen auf OnlyFans

In der Boulevardpresse wird es als „Porno-Instagram“ gehandelt und erreicht laut eigener Angaben mittlerweile über 100 Millionen Nutzer*innen weltweit (Maas, 2020; OnlyFans, o.D.). OnlyFans ist ein soziales Netzwerk auf dem Nutzer*innen für ihre Abonnent*innen Bilder, Videos und Live-Streams kostenpflichtig bereitstellen können. Da es im Gegensatz zu anderen Plattformen sexuell explizite Inhalte erlaubt, wird OnlyFans häufig für die Verbreitung erotischer und pornografischer Inhalte genutzt. Neben den hohen Summen, die einige Content-Produzentinnen auf OnlyFans verdienen, wird in mehreren Artikeln und Reportagen das emanzipatorische Potenzial der Plattform thematisiert (Maas, 2020; PULS Reportage, 2020; Y-Kollektiv, 2020). Ob diese oder andere Aspekte immer mehr Frauen zur Nutzung der Plattform motivieren, ist wissenschaftlich noch nicht untersucht. Deshalb geht die Arbeit der Frage nach, aus welchen Gründen Content-Produzentinnen erotische und pornografische Inhalte bei OnlyFans hochladen. Darüber hinaus werden wahrgenommene Nachteile und Gefahren der Nutzung untersucht, da diese ebenfalls einen Einfluss auf die Motivation nehmen.

Als Basis der Untersuchung werden der Forschungsstand zu sexuellen (Selbst-)Darstellungen im Internet, die Plattform OnlyFans und seine Funktionsweise näher beleuchtet. Den theoretischen Rahmen bieten Bourdieus Grundbegriffe des Habitus, des sozialen Feldes und der Grundkapitalformen, da er mit ihnen die Entstehung sozialen Handelns erklärt. Zusätzlich wird die Definition des erotischen Kapitals hinzugezogen, welche im vorliegenden Fall ebenso von Bedeutung ist. Aufgrund der mangelnden Studienlage zur Thematik wurde die Methode der qualitativen Leitfadeninterviews gewählt. Die Interviews wurden mit sieben Probandinnen aus sechs verschiedenen Ländern durchgeführt, welche mithilfe der inhaltlich-strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) ausgewertet wurden.

In den Ergebnissen wird deutlich, dass die Nutzung von OnlyFans nicht monokausal zu erklären ist. Neben dem Verdienst führen auch die Selbstverwirklichung durch die Befriedigung privater Bedürfnisse und die positive Beeinflussung des Körpergefühls zur Nutzung der Plattform. Darüber hinaus liegen in ihren beruflichen Vorstellungen und Wünschen sowie den Vorteilen der Funktionsweise von OnlyFans und der daraus entstehenden, selbstbestimmten Arbeitsweise Gründe, warum Frauen erotische und pornografische Inhalte auf OnlyFans hochladen. Darüber hinaus zeigten sich zwei wiederkehrende Nutzungshintergründe. Zum einen berichteten mehrere Befragte von einem negativen Körperselbstbild und zum anderen von privaten Vorerfahrungen im Bereich der unbezahlten sexuellen Selbstdarstellung. Hinsichtlich der Nachteile und Gefahren zeigt sich, dass diese hauptsächlich im Charakter der Tätigkeit, dem Klientel und der Funktionsweise der Plattform begründet sind. Beispielhaft sind hier die Arbeits- und Zeitintensität der Tätigkeit, ihr soziales Stigma, die Konfrontation mit strafbarem Verhalten und Übervorteilungsversuchen sowie das Rückerstattungssystem von OnlyFans zu nennen. Summa summarum leistet die Arbeit einen Beitrag dazu, erste Erkenntnisse über ein Forschungsfeld zu gewinnen, welches trotz seiner steigenden Bedeutung für den Arbeitsmarkt und die Bereiche des Online-Handels und der sozialen Netzwerke, bis dato kaum kommunikationswissenschaftlich erforscht ist.