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YouTube und sein Empfehlungsalgorithmus

Eine quasi-experimentelle Beobachtung

Radikalisierungstendenzen und Filterblasen werden Intermediären wie Facebook, YouTube und anderen Plattformen im öffentlichen Diskurs immer wieder angelastet. Besonders in Zeiten der Corona-Krise gibt es immer wieder Kritik an den Plattformen und deren algorithmischer Kuratierung von Inhalten. Schnell kommen dann Schlagworte wie Radikalisierung, Filterblasen und Echokammern ins Spiel. Deshalb untersucht die Masterarbeit, welche Informationen YouTube seinen User:innen über das Coronavirus zur Verfügung stellt. Theoretische Grundlage der Arbeit ist dabei die tiefgreifende Mediatisierung und die damit einhergehende Datafizierung des gesellschaftlichen Lebens.

Der Mixed-Methods-Ansatz der Forschung vereint netnografisches Feldexperiment und qualitative Beobachtung. Nehmen Beobachtungen normalerweise menschliche Akteure in den Blick, erweitert die theoretisch an die Technografie angelehnte Methode, den Beobachtungsgegenstand um den technischen Akteur Algorithmus. In drei Erhebungsphasen mit unterschiedlichen Nutzungsmodi und Privatssphäreeinstellungen konnte durch plangeleitetes Vorgehen, detaillierte Protokollierung und dynamische Anpassung eine innovative qualitative Methode entwickelt und in Anwendung gebracht werden. Dieser auch algorithm audit genannte Prozess konnte so die automatisierte Kuratierung von Videos bei YouTube untersuchen. Die Auswertung des Datenmaterials geschah nach den Maßgaben der Grounded Theory.

YouTube stellt seinen User:innen hinsichtlich des Corona-Virus vornehmlich eine immer wiederkehrende Auswahl hochaktueller Nachrichtenformate zur Verfügung. Darunter sind nur wenige Sender mit der Tendenz zu fragwürdiger Berichterstattung. Angeboten werden vor allem professionell produzierte Nachrichtenvideos großer privater Presse- und Rundfunkanbieter, was wiederum eine eingeschränkte Informationsvielfalt in Bezug auf das riesige Angebot bedeutet, welches bei YouTube abrufbar ist. Wichtig dabei ist zu erwähnen, dass die Ergebnisse auch in Abhängigkeit vom Erhebungszeitraum verstanden werden müssen. Die Forschung reiht sich dabei in die Perspektive anderer, jüngst publizierter Erhebungen – aus dem deutschsprachigen Raum – ein, die dem Empfehlungsalgorithmus im Umgang mit Desinformationen hinsichtlich der Corona-Pandemie die Tendenz zur Priorisierung seriöser Informationsquellen zuschreibt.