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„Written by a woman“

Zur Konstruktion alternativer Männlichkeiten auf TikTok

Sowohl in der Kommunikationswissenschaft als auch abseits akademischer Diskurse sind medial vermittelte Männlichkeitsbilder ein immer relevanteres und polarisierendes Thema. In den Gender Media Studies wird zudem davon ausgegangen, dass die gezielte Fortschreibung bestehender Männlichkeitsnormen der gesellschaftlichen Legitimation patriarchaler Strukturen dienen kann. Eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlich dominierenden Männlichkeitsbildern bleibt demnach unabdingbar.

Diskurse darüber, was genau „Männlichkeit“ gesellschaftlich zu bedeuten hat, finden heute vor allem in den sozialen Medien statt. Gerade die Kurzvideo-Plattform TikTok wird diesbezüglich in den kommenden Jahren zu einem immer wichtigeren Forschungsfeld werden. Hier haben es sich überwiegend jüngere Nutzer*innen auf die Fahne geschrieben, mit überkommenen Geschlechterrollen zu brechen und ein neues, feministisches Konzept von Männlichkeit zu Schaffen. Die populären Hashtags #menwrittenbywomen und #femalegaze bilden dabei einen interessanten Sonderfall: Hier besteht erstmals die Möglichkeit, explizit von weiblichen Nutzer*innen dargestellte Männlichkeitsentwürfe zu betrachten.

Anhand dieser Hashtags wurde in dieser Bachelorarbeit empirisch untersucht, wie genau vermeintlich „neue“ Männlichkeitsentwürfe auf TikTok konstruiert werden. Wesentliche theoretische Bezugspunkte waren R.W. Connells Konzept der hegemonialen Männlichkeit sowie Laura Mulveys filmwissenschaftlicher Ansatz des Male Gaze. Um die ausgewählten Videos optimal erfassen und beschreiben zu können, wurde die klassische Film- und Fernsehanalyse methodisch angepasst und für die Erforschung von Kurzvideos in den sozialen Medien fit gemacht. Schließlich erfolgte eine qualitative Analyse zehn typischer Videos.

Die Ergebnisse bestätigten überwiegend bisherige Untersuchungen zu Männlichkeitsentwürfen in den „alten“ Massenmedien. So wurden die dargestellten Männer von den Nutzer*innen überwiegend sexualisiert und objektifiziert. Auch bestand ein klarer Fokus auf Attraktivität, Status und Prominenz der dargestellten Männer. Kurz: Anstatt dominante Erzählungen von Männlichkeit kritisch zu hinterfragen, reproduzierten die Videos ihrerseits eine Vielzahl gesellschaftlicher Machstrukturen. Andererseits ist hervorzuheben, dass die User*innen TikTok als Plattform offensichtlich dafür nutzen, in einem geschützten Rahmen die Deutungshoheit über die eigene Sexualität zu ergreifen. Da hier also grundsätzlich Raum für Entfaltung abseits männlich dominierter Sphären ist, bleibt auch ein tatsächliches Aufbrechen dominanter gesellschaftlicher Konzepte von Männlichkeit in Zukunft denkbar.