Serienschauen gilt als beliebte Freizeitbeschäftigung. Einer der populärsten Streaming-Dienste ist Netflix mit einem vielfältigen, unüberschaubaren Serienangebot. Um sich für eine bestimmte Serie zu entscheiden, benötigt der/die Netflix-Nutzer*in vorab Informationen zur Serie. Die Arbeit geht der Frage nach: Wie läuft die Serienauswahl auf Netflix unter Berücksichtigung des Informationsverhaltens ab? Zur Beantwortung der Fragestellung wird in der Studie explorativ vorgegangen, da das Forschungsgebiet bisher wenig Beachtung in der Wissenschaft gefunden hat. Es werden Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen beleuchtet und auf die Serienauswahl auf Netflix übertragen: Modelle der Mediennutzung (Selektionsphasen nach Levy und Windahl; Niedrigkostensituation), theoretische Ansätze der ökonomischen Entscheidungsforschung (Konsumentenentscheidung nach Kotler; Blackwell et al.), Perspektiven der Entscheidungspsychologie (Bounded Rationality Theory; Paradox-of-Choice-Effekt) und der Kinopublikumsforschung (Ansätze von Austin und Prommer zur Bedeutung von Informationen und Informationsquellen beim Kinobesuch; Blothners Schritte der Filmauswahl), Programmwahlmodelle (das integrative TV-Programmwahlmodell von Webster/Wakshlag; Einflussfaktoren auf die Programmwahl) sowie Theorien und Ansätze aus der Informationsverhaltensforschung und Informationswissenschaft (Modi der Informationssuche; Informationssuchverhalten; casual-leisure information behavior). Auf Basis dieser Theorien und Modelle erfolgt die Modellentwicklung zur Serienauswahl auf Netflix.
Im empirischen Teil der Arbeit werden die zu überprüfenden, offenen Hypothesen aus dem Modell abgeleitet: Welche Quellen generieren Aufmerksamkeit für Serien bei Netflix-Nutzer*innen? Welche Informationsquellen werden bei der Serienauswahl auf Netflix während des information seeking and searching genutzt? Kommt es zu einem Parodox-of-Choice-Effekt bei der Serienauswahl auf Netflix? Die Überprüfung der Hypothesen erfolgt mittels einer quantitativen, standardisierten Online-Befragung. Für die Operationalisierung wird eine dimensionale Analyse potenzieller Informations- und Anreizquellen für Netflix-Serien durchgeführt.
pDie Arbeit zeigt, dass die Serienauswahl auf Netflix von vielen Faktoren, wie z.B. persönlichen, serienbezogenen oder momentbezogenen, beeinflusst wird. Besonders die interpersonale Quelle Freunde, die Plattform Netflix selbst und der Social-Media-Dienst Instagram fungieren als Anreizquellen. Es handelt sich bei der Informationsaufnahme um passive, gerichtete und ungerichtete Modi des information seeking and searching. Freunde und Familie als interpersonale Quelle sowie die Netflix-Startseite und Netflix-Suchfunktion sind wichtige Informationsquellen während des information searching and seeking für die/den Seriensuchende*n. Die Informationssuche findet dabei im aktiven und ungerichteten, aber vor allem im aktiven und gerichteten Modus des information seeking and searching statt. Fetching, finding und exploring sind Verhaltensweisen der Netflix-Nutzer*innen bei der Informationssuche. Zudem spielen Heuristiken und andere Mechanismen sowohl im Informationsverhalten als auch bei der Entscheidung eine wichtige Rolle. Ausschlaggebend für den Prozess der Serienauswahl ist außerdem das initiale casual Bedürfnis, da es der serienbezogenen Problem- bzw. Bedarfserkennung und dem Informationsbedürfnis vorangestellt ist und somit den gesamten Prozess beeinflusst. Die Ergebnisse der Befragung deuten darauf hin, dass es bei der Serienauswahl auf Netflix zu einem Paradox-of-Choice-Effekt kommt. Diese Erkenntnisse und deren kritische Reflektion können zugleich als Anregung und Ausblick für zukünftige Forschungen zum Informationsverhalten bei der Serienauswahl auf Netflix oder anderen VoD-Plattformen dienen. Außerdem sollten weitere Teile des aus der Theorie abgeleiteten Modells empirisch überprüft werden.