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„Strike a Pose“

Eine audiovisuelle Analyse des dokumentarischen Gehalts der Serie POSE.

Mitglieder der LGBTQIA+-Community werden bis heute diskriminiert und sind im gesellschaftlichen Mainstream vollständig noch nicht akzeptiert. Die fiktionale Serie POSE porträtiert die „Ballroom Culture“, eine queere Subkultur in den 1980er und 1990er Jahren in New York City. Die Serie behandelt die Themen Homosexualität, Trans*Identität und Drag, soziale Ungleichheiten der „Ballroom“-Mitglieder zu der weißen, wohlhabenden Mittelschicht, sowie die aufkommende AIDS/HIV-Epidemie zum Ende der 1980er Jahre.

Nach Friedmann und Morin (2010) ist jedes audiovisuelles Erzeugnis dokumentarisch, wobei auch anzumerken gilt, dass die Grenzen zwischen faktischen und fiktiven Darstellungen immer weiter verschwimmen. Durch den kommunikativen Kontrakt zwischen Produzierenden und Publikum können Medienerzeugnisse anders gelesen werden, als sie von der Produktion intendiert wurden. Gerade in diesem Kontext spielt der dokumentarische Wirklichkeitseindruck (documentary value) eine relevante Rolle, der mithilfe eines wide readings in POSE nachgewiesen werden soll.

Im Rahmen der Analyse wurde festgestellt, dass POSE auf realen Ereignissen basiert, und es wird eine klare Verweisstruktur auf den Dokumentarfilm PARIS IS BURNING und die originäre New Yorker „Ballroom Culture“ im Hinblick auf die Handlungsstränge sowie Charaktere aufzeigt. Somit reflektiert die fiktive Serie den Dokumentarfilm, wodurch POSE sowohl einen dokumentarischen als auch einen fiktiven Gehalt, also einen hybriden Charakter, besitzt. Daher kann POSE als eine Art Re-Enactment von PARIS IS BURNING gelesen werden. Das erweitert den dokumentarischen Raum auf eine Art, die sich der etablierten dokumentarischen und fiktiven Ordnung widersetzt, weswegen POSE auch einen gegendokumentarischen Wert beinhaltet. Somit meint gegendokumentarisch, dass der dokumentarische Raum durch neue Arten des Dokumentarisierens vergrößert wird.

Da das wide reading ein hermeneutisch-interpretatives Verfahren ist, kann mit einem anderen Bezugskorpus an Texten zu einem anderen Ergebnis kommen. Demnach ist es für weiterführende Forschung wichtig, andere Methoden anzuwenden, weitere Bezugsgrößen einzubeziehen oder einzelne Aspekte der Analyse stärker zu elaborieren.