Die vorliegende Arbeit befasst sich mit (digitalem) Sampling in der populären Musik und damit, wie diese Praxis (und damit verwandte Praktiken wie Interpolation und Zitation) die im Urheberrecht vergegenständlichten Konzepte von geistigem Eigentum herausfordern. Ziel der Arbeit ist es, Gestaltungsprinzipien für ein faires und angemessenes Urheberrecht zu etablieren. Zu diesem Zweck werden verschiedene kulturwissenschaftliche Strömungen auf ihre Einstellung zu Originalität in Prozessen der kulturellen Produktion hin untersucht. Der Vergleich soll Licht auf diejenigen kulturellen Mechanismen werfen, an denen sich ein aktualisiertes Copyright orientieren muss, um Kreativität zu fördern anstatt zu hemmen.
Um den Theoriegebäuden einen Kontext zu geben werden zunächst die Geschichte musikalischer Anleihen kurz nachgezeichnet und die relevanten Aspekte der aktuellen Gesetzgebung inklusive ihrer Auswirkungen auf die Musikindustrie herausgearbeitet. Sowohl das Phänomen (musikalisches) Sampling und das juristische Konstrukt Urheberrecht werden heruntergebrochen und vor dem Hintergrund europäischer postmoderner und poststrukturalistischer Theorien (vor allem zur Autorenschaft und zur Intertextualität) und der Reflexion des Unterschieds zwischen ‚westlichen‘ und afrodiasporischen Vorstellungen zum geistigen und künstlerischen Eigentum sukzessive wieder mit Inhalten angereichert und neu modelliert (u.a. durch Rückbezug der Theorien auf konkrete Beispiele aus der Musik).
Die Untersuchungen zeigen, dass das Urheberrecht in seiner jetzigen Form kreative Leistungen in zwei Kategorien aufspaltet, die es ungleich behandelt: in die Entwicklung kompositorischer Konzepte einerseits und den musikalischen Ausdruck andererseits. In seiner Annäherung an verschiedene Formen des Zitats und an elementare Tonteilchen selbst entblößt Sampling diese Trennung als falsche und voreingenommene Prämisse. Indem es kollektivorientierte (nicht-westlich kodierte) Traditionen kultureller Produktion in große Stadien, Spotify-Trends und auf die Tanzflächen der ganzen Welt gebracht hat, demaskiert Sampling die eurozentristischen Fundamente des Copyrights als gesetzlich festgeschriebene Einzelinteressen. Ein angemessenes Urheberrecht muss die Kompensation von Kreativleistungen ermöglichen, ohne den Zugang zu ihnen einzuschränken: eine Balance, die es noch herzustellen gilt und die in einem ersten Schritt ein Neudenken der Schutzrechte erfordert und den Blick weg von den Interessen der ‚Inhaber*innen‘ auf die Interessen der public domain hin lenkt.