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Medien und kulturelles Gedächtnis

Eine qualitative Studie zum kulturellen Gedächtnis am Beispiel des Mauerfalls

Zum kulturellen Gedächtnis gehören Erinnerungen, die Menschen verbinden und Identität stiften. Die Erinnerung an den Mauerfall ist jedoch nicht immer gleich: Die einen verbinden damit den Verlust eines Sozialparadieses, die anderen das Ende des Unrechtsstaates. Es gibt nicht nur ein gemeinsames kulturelles Gedächtnis, sondern auch ein individuelles. Die Arbeit fragt nach der Entstehung des individuellen kulturellen Gedächtnisses und nach der Rolle der (Massen)Medien. Der Ansatz dieser Studie ist explorativ. Es wird untersucht, wie präsent die Medien als Erinnerungsquellen sind und von welchen Faktoren das abhängt. Grundlage sind die Theorie des kulturellen Gedächtnisses nach Assmann, Theorien zum Identitätsmanagement und die Habitus-Kapital-Theorie von Bourdieu. Die Ergebnisse basieren auf fünf Gruppendiskussionen mit insgesamt 16 Befragten unterschiedlichen Alters und Herkunft (ehemalige DDR und BRD). Das kulturelle Gedächtnis wird durch den Habitus und die soziale Position der Menschen bestimmt. Es kommt auf die eigenen Erfahrungen und persönlichen Erinnerungen an: davon hängt ab, ob und wie etwas später erinnert wird und welche Erinnerungsquellen genutzt werden. Massenmedien ergänzen bereits vorhandene Erinnerungen oder schaffen neue. Je weniger eigene Erinnerungen jemand hat, desto stärker ist sein kulturelles Gedächtnis durch die Medien geprägt – dann bieten die Medien überhaupt erst Zugang zum kulturellen Wissen und stiften somit kulturelle Identität.