transfer 23(1) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

Mediatisierte Selbsthilfe – eine qualitative Untersuchung von Medienaneignungsweisen der „Migräne Community“

Wie sich erkrankte Menschen mithilfe von Medien selbst helfen und welche Folgen mit Medien verbundene Wandlungsprozesse für diese Menschen haben, erfasst das in dieser Masterarbeit vorgestellte Konzept der mediatisierten Selbsthilfe. Am Beispiel der „Migräne Community“ bei Facebook – einer Online-Selbsthilfegruppe der Schmerzklinik Kiel – wurde im Rahmen einer qualitativen Interviewstudie untersucht, wie sich deren Mitglieder unterschiedliche Medien im Zusammenhang mit ihrer Migräne-Erkrankung aneignen.

Die theoretische Grundlage für diese Studie bildete vor allem der Mediatisierungsansatz nach Krotz. Da Medienaneignung im Kontext der Arbeit als soziales Handeln verstanden wurde, wurden weitere Ansätze herangezogen, die dem Paradigma „Was machen die Menschen mit den Medien?“ folgen. Dazu zählen u.a. der Ansatz der Informationsrepertoires nach Hasebrink & Domeyer sowie der Uses-and-Gratifications-Approach.

Drei Forschungsfragen leiteten das Vorgehen: 1. Welche Folgen hat eine fortschreitende Mediatisierung für klassische und medienvermittelte Selbsthilfe und deren Nutzer*innen? (Dimension Medienwandel) 2. Wie erleben sie Vergemeinschaftung im Kontext mediatisierter Selbsthilfe? (Dimension Vergemeinschaftung) 3. Wie binden sie mediatisierte Selbsthilfe in ihr Alltagsleben ein? (Dimension Alltag)

Um die Forschungsfragen zu beantworten, wurden mit acht Mitgliedern der Migräne Community leitfadengestützte Interviews geführt. Die Ergebnisse zeigen, dass Mediatisierung überwiegend positive Folgen für Nutzer*innen hat. Es werden etwa Barrieren abgebaut, sich zur Selbsthilfe mit anderen zu vernetzen, was vor allem für Betroffene mit besonders schweren, leichten oder seltenen Krankheitsverläufen von Vorteil ist. Ambivalent werden eine gestiegene Eigenverantwortung und die Mediatisierung sozialer Beziehungen gesehen. Die Kommerzialisierung, Unübersichtlichkeit und die schwer einzuschätzende Seriosität von standardisierten und nutzergenerierten Angeboten im Netz sind negative Folgen der Mediatisierung, mit denen erkrankte Menschen konfrontiert sind. Wie Vergemeinschaftung innerhalb einer Online-Selbsthilfegruppe erlebt wird, hängt davon ab, auf welcher Funktionsebene der Gruppe (Information, Unterstützung, Fürsorge) sich Mitglieder bewegen. Zudem wurden unterschiedliche Handlungsmuster der kommunikativen Vernetzung in Online-Selbsthilfegruppen herausgearbeitet. Weitere Befunde aus den drei untersuchten Dimensionen Medienwandel, Vergemeinschaftung und Alltag werden diskutiert.