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Links und liebenswert

Eine qualitative Studie zu den Nutzungsmotiven von Lesern der tageszeitung (taz)

„Jede Zeitung hat die Leserschaft, die sie verdient. Die taz ist ein besonderes Blatt und so ist auch ihre Leserschaft von eigener Art“, schreibt die aktuelle Chefredakteurin der taz, Bascha Mika. Kein Publikum identifiziert sich so stark mit seiner Zeitung wie die Leserschaft der taz. Die treuen Leser unterstützen ihre Zeitung durch Abonnement oder Genossenschaftsanteile, begleiten das Blatt durch alle Krisen und bestreiten tapfer alle Rettungskampagnen. Welche Motive haben sie, sich dem Blatt und dem ‚Alternativprojekt taz‘ zuzuwenden? Im Dezember 2005 wurden taz-Leser aus Berlin und Baden-Württemberg mittels Leitfadeninterviews zu ihren Nutzungsmotiven befragt.
Die Ergebnisse zeigen, dass die taz weniger der Aktualität wegen, sondern aufgrund ihrer umfassenden Hintergrundberichte und Analysen genutzt wird. Eine wichtige Rolle spielt überdies die Originalität und Respektlosigkeit der Berichterstattung. Für die Befragten ist die taz dabei nicht nur eine Tageszeitung, sondern ein linksalternatives Projekt und historischer Überrest der Alternativbewegung. Identitätsmotive wie Solidarität, politische Selbstverwirklichung, Nostalgie oder Anbindung an die Szene lassen sich hierauf zurückführen. Eine Nutzertypologie am Ende der Arbeit veranschaulicht, dass vor allem die jüngeren Befragten einen pragmatischeren Umgang mit dem Blatt pflegen als die älteren Leser. Diese sehen in der taz eine politische Weggefährtin seit langem.