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KI in der Wissenschaftskommunikation: Wenn Einstein und Curie wiederauferstehen

Eine Experimentalstudie zur Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher Merkmale von KI-generierten Video-Avataren auf die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit

Die Nutzung von KI-generierten Avataren in der Wissenschaftskommunikation eröffnet neue Möglichkeiten, komplexe Inhalte verständlich und zugänglich zu vermitteln. Zugleich birgt die menschenähnliche Darstellung von KI-Avatare Risiken: Inkonsistente anthropomorphe Merkmale können Unbehagen auslösen und das Vertrauen – ein Schlüsselfaktor für effektive Wissenschaftskommunikation – in die vermittelten Informationen beeinträchtigen.

Aufbauend auf Erkenntnissen aus der Forschung zu automatisiertem Journalismus, Wissenschaftskommunikation und Mensch-Computer-Interaktion wurde eine Experimentalstudie durchgeführt, um den Einfluss des Menschenähnlichkeitsgrads und des Geschlechts von KI-Avataren auf die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit zu untersuchen. Die Hauptstudie (n = 567) folgte einem 2×2 Between-Subjects-Design, in dem Menschenähnlichkeitsgrad (hochrealistisch vs. stilisiert) und Avatar-Geschlecht (männlich gelesen vs. weiblich gelesen) systematisch variiert wurden. Die Teilnehmenden, rekrutiert über ein Online-Access-Panel, bewerteten KI-generierte Video-Avatare, die wissenschaftliche Inhalte präsentieren, anhand der etablierten METI-Skala in den epistemischen Vertrauenswürdigkeitsdimensionen Expertise, Integrität und Wohlwollen. Der präregistrierten Studie gingen zwei Pretests voraus: ein qualitativer Pretest (Think-Aloud-Interviews, n = 8) und ein quantitativer Pretest (n = 481), die die Skalenvalidität und experimentelle Manipulation prüften.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Menschenähnlichkeitsgrad der KI-Avatare positiv mit der wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit korreliert – ein Befund, der den Annahmen des „Uncanny Valley“-Effekts widerspricht. Stattdessen unterstützen die Befunde den Ähnlichkeits-Attraktions-Effekt, wonach menschenähnliche Merkmale mehr Vertrauen hervorrufen. Das Avatar-Geschlecht wirkte sich dimensionsspezifisch aus: Männliche Avatare wurden hinsichtlich ihrer Kompetenz signifikant höher bewertet, während das Geschlecht keinen Einfluss auf die Wahrnehmung von Integrität und Wohlwollen hatte. In diesen beiden Dimensionen spielte der Realitätsgrad der KI-Avatare eine entscheidendere Rolle. Diese Ergebnisse bestätigen frühere Befunde zu geschlechtsspezifischen Kompetenzbewertungen bei Wissenschaftskommunikator:innen und verdeutlichen, dass solche Stereotype auch im Fall von KI-generierten Avataren bestehen bleiben.

Die Studie liefert praxisnahe Empfehlungen für die Gestaltung von KI-Avataren in der Wissenschaftskommunikation, um das öffentliche Interesse an Wissenschaft zu wecken, ohne das Vertrauen zu gefährden. Auf einer übergeordneten Ebene bietet sie wertvolle Einblicke in die Wahrnehmung und Akzeptanz von KI-generierten anthropomorphen Avataren, die als Ausschnitt eines sozio-technischen Innovationsprozesses zu sehen sind.