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Jessica Lynch und Lynndie England

Wie U.S.-Militär und Medien eine Nationalheldin und einen nationalen Sündenbock schufen

Die beiden ehemaligen U.S.-Soldatinnen Jessica Lynch und Lynndie England gaben dem jüngsten Irak-Krieg ein Gesicht. Lynch wurde 2003 in einer beispiellos inszenierten Rettungsaktion vom U.S.-Militär aus irakischer Gefangenschaft befreit und fortan als Nationalheldin gefeiert. Lynndie England erlangte traurige Berühmtheit, als Fotos an die Medien gelangten, auf denen sie irakische Häftlinge im Gefängnis von Abu Ghraib folterte. Damit wurde sie zum Symbol für die Missstände im Irak-Krieg. Die Folterbilder erschütterten sowohl den Glauben an die Rechtmäßigkeit dieses Einsatzes als auch an die traditionelle Vorstellung der friedfertigen Frau.
Beide Soldatinnen wurden nach ihrem Bekanntwerden vom US-Militär bzw. von der Regierung für unterschiedliche Zwecke instrumentalisiert. Diese Arbeit zeigt, wie die amerikanischen und deutschen Medien dies zum Teil durch ihre Berichterstattung unterstützt haben. >br< Jessica Lynch war die militärische Erfolgsmeldung, die die Bevölkerung so dringend brauchte, als der Irak-Krieg öffentlich infrage gestellt wurde. Lynndie England diente als „Sündenbock“ für den Folterskandal von Abu Ghraib und sollte von den eigentlichen Verantwortlichen ablenken. Die Berichterstattung über beide Frauen verdeutlicht die massive Wechselwirkung zwischen Militär und den internationalen Medien. Zudem belegen beide Fälle, dass - auch in einer westlichen Wertegemeinschaft Geschlechterstereotype maßgeblich Einfluss auf die Reflexion von Medienereignissen haben.