IT-Experten und Analphabeten, piekfeine Straßenzüge in Neu-Delhi und kloakengleiche Slumviertel? Indien, die größte Demokratie der Welt, ist ein fragiles Gebilde aus Gegensätzlichkeiten. Seit der Unabhängigkeit hatten bedeutende Staatslenker immer wieder die Vision, diese Fragilität unter dem Motto ‚Unity in Diversity‘ zu festigen. Premierministerin Indira Gandhi setzte sich in den sechziger Jahren für eine neue Strategie ein: Sie hegte den Wunsch, die Integration der Bevölkerung via Fernsehen zu verbessern. Indien ist eines der wenigen Länder, die das audio-visuelle Massenmedium von Beginn an nicht als Spielzeug der Oberschicht sahen, sondern als Werkzeug zur Bildung und Förderung der unteren Schichten. Die Schaffung einer nationalen Identität wurde dem staatlichen Fernsehen ‚Doordarshan‘ auf die Fahnen geschrieben. Bislang wurde der gewünschte Einigungserfolg allerdings nicht annähernd erreicht.
Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklungsgeschichte des Fernsehens auf dem Subkontinent, ersten Experimenten mit Bildungsprogrammen, sowie mit den Auswirkungen des Mediums auf gesellschaftliche Verhaltensweisen und Wertvorstellungen. Im Anschluss wird analysiert, inwieweit politische Barrieren die Flexibilität Doordarshans blockierten, und durch welche senderinternen Entscheidungen das Ziel der Identitätsstiftung erschwerten. Besondere Beachtung findet der oft als Invasion betitelte Vormarsch privater Konkurrenzsender sowie die stetig vorhandene Furcht der Regierung, die Macht über das Massenmedium aus der Hand zu geben.