transfer 22(4) » Neue Informations- und Kommunikationstechnologien

Incivility und Counter Speech

Ein quasi-Feldexperiment am Beispiel von #ichbinhier? in Facebook-Kommentaren

Die „Verrohung“ der Diskussionskultur im Internet entsteht aufgrund von Incivility; herabwürdigende, stereotypisierende, respektlose bzw. störende Kommunikation lässt Diskussionen eskalieren, was häufig bei Themen wie Migration und Flucht zu beobachten ist. Counter Speech gilt als eine Lösungsstrategie. In der Theorie soll dadurch die Diskussionsbereitschaft steigen, indem kognitiv und nicht affektiv reagiert wird. Welchen empirischen Einfluss Counter Speech auf die Häufigkeit von Incivility hat, wird anhand einer Inhaltsanalyse in einem quasi-Feldexperiment untersucht. Die Initiative #ichbinhier koordiniert Counter Speech-Aktionen auf den Facebook-Seiten großer deutscher Medienmarken und bildet mit einer höheren Anzahl von Counter Speech-Kommentaren den Stimulus, der auf die Diskussionen einwirkt.

Die Hypothese, dass Counter Speech einen statistisch signifikanten Einfluss auf Incivility hat, wird von der empirischen Untersuchung widerlegt. Die Übertragbarkeit von Erkenntnissen aus der Forschungsliteratur ist im Fall von Facebook offenbar eingeschränkt. Es hat sich gezeigt, dass auch in Kommentaren von #ichbinhier-Mitgliedern, die zu Counter Speech angehalten werden, Incivility vorkommt. Das zeigt, dass für wirksame Strategien mit dem Ziel einer demokratischeren Diskussionskultur im Internet mehr Bildung notwendig ist. Es ergibt sich weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich eines differenzierteren Effekts von Counter Speech auf bestimmte Arten von Incivility, etwa Hate Speech.