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Gute Versuchspersonen – schlechte Versuchspersonen?

Zum Einfluss von Fachsemester und Fachrichtung auf das Antwortverhalten studentischer Versuchspersonen

Bei zahlreichen sozialwissenschaftlichen Studien werden Studierende zeit- und kostensparend als Versuchspersonen rekrutiert. Bevorzugt werden Erstsemester ausgewählt. Grundannahme ist, dass es ihnen nicht möglich ist, die Hypothese zu erraten und somit die Daten zu verzerren. Diese Annahme wird in der Arbeit überprüft. Das Antwortverhalten studentischer Versuchspersonen wird unter Berücksichtigung der Einflüsse des Fachsemesters und des Studienfachs untersucht. Dabei wird auch analysiert, ob Hypothesenkenntnis zu einem hypothesenbestätigenden Verhalten führt. Zur Überprüfung wurde ein Experiment in der Tradition der Kultivierungsforschung durchgeführt.
Es zeigt sich, dass Kultivierungseffekte nur für Erstsemester nachgewiesen werden können. Studierende hoher Fachsemester hingegen weisen keine Kultivierungseffekte mehr auf. Dies gilt in besonderem Maße für Publizistikstudierende hoher Fachsemester. Gleichzeitig stellen sie auch die Gruppe dar, die sich am ehesten fähig zeigt, die Hypothese der Coverbefragung korrekt zu antizipieren. Ein hypothesenbestätigendes Verhalten kann in der vorliegenden Untersuchung nicht gefunden werden. Es wird der Schluss gezogen, dass sich Studierende hoher Fachsemester zum Nachweis von Kultivierungseffekten nicht eignen. Dies gilt insbesondere für Publizistikstudierende. Generell sollte Fachwissen in jedem Fall als Ausschlusskriterium für die Rekrutierung von studentischen Versuchspersonen gelten, da es sich als Haupteinflussgröße eines verzerrten Antwortverhaltens herausgestellt hat.