transfer 13(3) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

Gilt der Hostile-Media-Effect auch für die Rezeption von Radiobeiträgen?

Der Hostile-Media-Effect (HME) beschreibt die feindliche Wahrnehmung ausgewogener Medieninhalte von Personen mit ausgeprägtem Standpunkt. Er wurde bisher nur anhand von TV-, Print- und Internetinhalten untersucht. Doch gilt der HME auch für die Rezeption von Radiobeiträgen? Welche kognitiven Mechanismen sind für eine feindliche Wahrnehmung verantwortlich? Haben Fallbeispiele in der Berichterstattung einen Einfluss auf die Wahrnehmung feindlicher Tendenzen? Die Arbeit untersucht dies anhand zweier eigens erstellter Radiobeiträge zum kontroversen Thema „Verwendung von Gentechnik bei Lebensmitteln“. Beide Beiträge verwenden die gleichen Aussagen, die jedoch entweder von einem Radiosprecher oder von Betroffenen im O-Ton eingesprochen wurden. Im Rahmen eines Online-Experiments hörten die Probanden (N=227) jeweils einen dieser ausgewogenen Radiobeiträge. Die Probanden wurden nicht – wie in der Mehrheit der Studien – aus Initiativen, die sich für oder gegen etwas engagieren (hier: Gentechnik), rekrutiert.
Die Arbeit konnte keinen HME bei der Verarbeitung von Radiobeiträgen zeigen. Die Untersuchung der Mechanismen des HME war so nicht möglich. Ein Fallbeispieleffekt trat nicht auf. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Mehrheit des Publikums ausgewogene Medieninhalte auch als ausgewogen wahrnimmt, bzw. sogar eher als für die eigene Seite sprechend erkennt. Eine starke Einstellung zu einem Thema scheint nicht ausreichend zu sein, um einen HME hervorzurufen.