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Gegen den Strom in der westlichen Nachrichtenflut

Eine Foucaultsche Diskursanalyse der Berichterstattung über Medienkritik am Beispiel der Debatte um KenFM in deutschen Printmedien

Verzerrte Tatsachen, einseitige Berichte und ein Fokus auf die Eliten aus Politik und Wirtschaft: Seit geraumer Zeit geraten die bürgerlichen Medien immer wieder in massive Kritik. Repräsentieren sie in modernen Demokratien tatsächlich noch eine Art Vierte Gewalt? Ulrich Beck (2017) sagt Nein. Stattdessen betont er das Potenzial alternativer, ökonomisch unabhängiger Medienangebote. Indem sie gegenhegemoniale Perspektiven einnehmen, Stimmen marginalisierter Gesellschaftsgruppen vertreten und oftmals Teilaspekte betonen, welche in der Berichterstattung der etablierten Medien nur geringfügig oder gar nicht auftauchen, besteht Grund zu der Annahme, dass sie fragmentierte Öffentlichkeitsbereiche, sogenannte „Nebenfolgen- bzw. Risikoöffentlichkeiten“ (Beck, 2017, S. 172), hervorbringen. Deren Positionen tangieren den in der etablierten Öffentlichkeit vorherrschenden Diskurs, welcher somit potenziell um neue, alternative Aspekte erweitert oder gar davon abgelöst werden kann. Ein stetes Ringen um Definitionsmacht entsteht.
Wie reagieren die traditionellen Medien auf diese Herausforderung? Wie gehen sie zum Beispiel mit Ken Jebsen um, der mit KenFM einen erfolgreichen Onlinekanal etabliert hat? Eine Foucaultsche Diskursanalyse von 41 Artikeln aus vier deutschen Presseprodukten – Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Junge Freiheit und junge welt – soll diese Fragen systematisch beantworten.

Das zentrale Ergebnis: Während KenFM zu Beginn tendenziell ignoriert wurde, verlangte die zunehmende öffentliche Präsenz von Ken Jebsen eine andere Strategie. Die Konsequenz: Im Kampf um Definitionsmacht werden journalistische Qualitätskriterien wie die Trennung von Nachricht und Meinung, Ausgewogenheit oder Neutralität über Bord geworfen. Während die Süddeutsche Zeitung und Die Welt Jebsen und KenFM prinzipiell ablehnen und sich für diese Position auch auf opportune Zeugen aus der Linkspartei stützen, nutzen junge welt und Junge Freiheit den Gegenstand, um für ihre jeweiligen Agenden zu werben – auf der einen Seite ein Lagerkampf der Linken, auf der anderen Jebsen als Kritiker des Mainstreams.