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Ein Affektsturm

Historische Korrektheit und die Debatte um Martin Walser

Am 11. Oktober 1998 wurde Martin Walser der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Die Rede, die der Schriftsteller zu diesem Anlass hielt, löste eine Debatte aus, die politisch wie kulturell einen überragenden Stellenwert für das geistige Klima der Bundesrepublik am Ende der 90er Jahre besaß. Martin Walser hatte ein deutsches Tabu gebrochen – er ist der Thematik Auschwitz nicht mit der Betroffenheit begegnet, die allgemein bei öffentlichen Auftritten erwartet wird. Die moralischen Ge- und Verbote hat er bewusst gebrochen, in Opposition zur geltenden ‚Political Correctness‘.
Dies nimmt die Arbeit zum Anlass, sich mit der ‚Politischen Korrektheit‘ in Deutschland auseinanderzusetzen. Untersucht wird, ob diese in Deutschland nicht vorwiegend in Form einer ‚Historischen Korrektheit‘ existiert. Die Presse ist dabei besonders interessant, weil sie als Vermittler von Informationen und Sprache wesentlich zur Meinungsbildung beitragen soll. Eine These ist dabei, dass eine freie Meinungsäußerung und -bildung unter den Vorraussetzungen der vermittelten Korrektheiten nicht möglich ist. Mit Hilfe einer Stichprobe von 50 Presseartikeln aus politischen Tageszeitungen sollten Standardisierungen der Vorwürfe bei der Auswertung und Kommentierung der Rede nachgewiesen werden. Ferner zieht diese Ausarbeitung Studien zu politischen Einstellungen der Deutschen heran. Ebenso betrachtet sie den Stellenwert von Politischer Korrektheit vier Jahre nach der Walser-Bubis-Debatte.