Die steigende Performance und Popularität von Nolans Mindgame-Filmen, sowie seine Auteur-Merkmale, sorgen maßgeblich dafür, dass Zuschauende das Typische in seinen Filmen wiedererkennen und nachfolgende Filme, so auch „Tenet“, mit konkreten Erwartungen antizipieren (Bordwell & Thompson, 2019). Die Untersuchung dieser Art von Film-Phänomen ist dahingehend relevant, als Filme, die eine Form von Mindgame beinhalten, unter Kritiker:innen und Forscher:innen für anhaltende Diskussionen sorgen (Bordwell 2006; Elsaesser, 2009). Zu „Tenet“ existierten aufgrund der Aktualität des Films bisher keine filmwissenschaftlichen Auseinandersetzungen.
Aus dieser Forschungslücke heraus hat sich die vorliegende Bachelorarbeit mit der Frage beschäftigt, wie das Mindgame in Christopher Nolans „Tenet“ filmisch inszeniert wurde. Schwerpunkt dieser Untersuchung lag auf dem theoretischen Konflikt zwischen komplexen und klassischen Erzählstrukturen, sowie auf der Definition einer Nolan’schen Variante des Mindgame-Films.
Folglich wurde im Kapitel zum Forschungsstand der definitorische Rahmen hinsichtlich des Mindgame-Begriffs abgesteckt. Hierbei handelt es sich um eine Vielzahl von verschiedenen Begriffen und Konstrukten, die im Kern Filme beschreiben, die mit Zuschauenden und/oder Figuren narrative und motivische „Spiele spielen“ (Elsaesser, 2009, S. 237). In diesem Kontext ließ sich auch ein eigener Arbeitsbegriff („Desorientierungsfilm“), der vorliegende Definitionen bündelt, aufstellen. Darüber hinaus bilden vertiefende Kapitel zur klassischen Erzählung, zu diversen relevanten Genres und zum Auteur-Begriff, die Grundlage zur Durchführung einer soziologischen Filmanalyse nach Peltzer und Keppler (2015).
Konkret ließ sich durch das Anwenden dieser qualitativen Methode feststellen, dass „Tenet“ auf einer narrativ-stilistischen Ebene übergeordnete non-lineare Erzählstrukturen vorweist, die in ihrem Zusammenspiel einem palindromischen Muster folgen. Abgeleitet aus der Komplexität der Erzählstruktur, welche sich vor allem in wiederholten Schlüsselszenen durch Vorbestimmtheit und Unumgänglichkeit ausgezeichnet hat, ließ sich der Schluss ziehen, dass eine paradoxe Ursache-Wirkungs-Beziehung vorliegt. Hierbei fanden stets Perspektivwechsel statt, sowie Ergänzungen zuvor visuell manipulierter und damit zurückgehaltener Informationen. Darüber hinaus ließen sich strikte diegetische Regeln anhand der Einsatzweise von Farben und auditiven Elementen determinieren.
Das Nolan’sche Mindgame in „Tenet“ ließ sich schließlich am besten als ein choreographiertes, regelbasiertes Perspektivenspiel verstehen, welches durch das koordinierte Zusammenspiel von makro- und mikrostrukturellen Hinweisen und Täuschungen, seine volle, explorativ angelegte, Wirkung entfaltet hat. Obgleich der Möglichkeit, diesen explorativen und selbst-prophezeienden Charakter beobachtend zu erleben, hat die Analyse der Spielregeln verdeutlicht, dass die Vereinfachung “Don’t try to understand it. Feel it“ in einem enormen Widerspruch zur Systematik des von Nolan angebotenen Spiels steht.