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Die Wahrnehmung der NS-Vergangenheit in drei Generationen. Eine Analyse der publizistischen Kontroverse über Günter Grass 2006.

Mehr als 6 Jahrzehnte nach dem Ende des 2.Weltkrieges wird der kritischen Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in den deutschen Medien nach wie vor ein großer Stellenwert eingeräumt. Durch das Bekenntnis der kurzzeitigen Mitgliedschaft in der Waffen-SS löste der Literaturnobelpreisträger Günter Grass im August 2006 eine wochenlange publizistische Kontroverse aus, deren Ausmaß an polarisierenden Stellungnahmen Anlass dazu gab, den Ursachen der heterogenen Reaktionen nachzugehen. Mit Hilfe eines Drei-Generationenmodells auf der Grundlage des Generationskonzepts nach Karl Mannheim wurden dabei die Partizipationsleistungen von Vertretern der Generation der Zeitzeugen, der 68er-Generation und der Enkelgeneration anhand von 323 Beiträgen aus sog. Meinungsführermedien der gegenwärtigen deutschen Printmedien im Zeitraum vom 12.08.2006 – 21.09.2006 gesichtet. Mit Hilfe des Konzepts der Kritischen Diskursanalyse nach Siegfried Jäger konnten im Ergebnis die wesentlichen Ursachen für das Ausmaß der Debatte eruiert werden. Günter Grass, der stets für einen kritischen Umgang mit der NS-Vergangenheit plädiert hatte, bot seinen Widersachern durch sein Bekenntnis eine willkommene Angriffsfläche. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Ablebens der Zeitzeugen wurde aber auch deren hegemoniale Diskursposition in Frage gestellt, so dass eine Veränderung in den diskursiven Machtkonstellationen in Bezug auf den Umgang mit der NS-Vergangenheit in Zukunft zu erwarten ist.