Durch die Medien als Moderatoren der Gesellschaft erfahren wir, welche Themen und Akteure tagespolitisch relevant sind. Dem Fernsehen als traditionelles Leitmedium kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Kulturprägend und eine Basis für Werte und Normen war bisher besonders die christliche Kirche in Deutschland, die mit dem Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine besondere rechtliche Stellung innerhalb des Mediensystems, insbesondere für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, genießt. Seit 1991 muss dieser den Kirchen aufgrund des Rundfunkstaatsvertrages Drittsenderechte für Verkündigungssendungen zur Verfügung stellen. Seitdem hat sich die gesellschaftliche Rolle der Religion jedoch aufgrund verschiedener Faktoren verändert.
Die Arbeit behandelt deshalb die Frage, wie präsent die christliche Kirche im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist und ob in der Gesellschaft und den Medien ein Bedeutungszuwachs oder -verlust der christlichen Kirche beobachtbar ist. Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht erfolgte die wissenschaftliche Untersuchung des Verhältnisses von Religion und Medien bisher nur teilumfassend für den deutschen und weitestgehend auch internationalen Raum. Dies sowie das häufig kritisierte Definitionsproblem des Begriffs „Religion“ erschwert die Auswertung empirischer Untersuchungen einhergehend mit einer zu geringen Vergleichbarkeit.
Um Hinweise auf die Relevanz von Religion im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu finden, wurden für diese Arbeit explorative Experteninterviews anhand eines halbstandardisierten Leitfadens durchgeführt. Bei den Befragten handelte es sich ausschließlich um Führungskräfte der Religionsredaktionen des RBB. Die Befragungen haben ergeben, dass von einem Bedeutungsverlust der institutionellen christlichen Religion in den Medien gesprochen werden muss, da die Kirche in ethischen, moralischen sowie gesellschaftspolitischen Fragen nicht mehr den einzigen Ansprechpartner für die Gesellschaft darstellt. Diese Konkurrenz zu anderen Glaubensgemeinschaften wird dazu führen, dass die christliche Kirche zukünftig zwar ihre rechtlich garantierten Sendeplätze behalten, sich aber diese, ebenso wie die Thematisierung in der Berichterstattung, wird teilen müssen. Gleichzeitig kann jedoch beobachtet werden, dass hierbei kein eindeutiger Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Stellung von Religion besteht. Neben dem medialen Bedeutungsverlust institutionalisierter Religion beobachten die Interviewpartner*innen innerhalb der Gesellschaft gleichzeitig eine wiederkehrende und wachsende Neugier nach Religion als individuelles und sinnstiftendes Konzept.