transfer 24(1) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

Die Aneignung digitaler Medien durch junge Mütter in einer Mutter-Kind-Einrichtung

Eine qualitative Fallstudie

Gegenwärtige Studien zur digitalen Medienaneignung nehmen oftmals soziale Gruppen in den Blick, die sich in der Mitte unserer Gesellschaft verorten lassen. Doch wie steht es um die mediatisierte Kommunikation marginalisierter Gruppen? Motiviert durch das Anliegen, auch diese Gruppen in Forschungsvorhaben miteinzubeziehen und sie hinsichtlich ihrer Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Partizipation medialer Transformationen zu untersuchen, beschäftigt sich die Masterarbeit mit der Forschungsfrage, wie sich in einer Mutter-Kind-Einrichtung lebende junge Mütter digitale Medien aneignen. Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine qualitative Fallstudie entwickelt, die sich auf kommunikationswissenschaftliche Konzepte wie das der Kommunikativen Figurationen sowie ein Mehrmethodendesign stützt.
Qualitative Interviews und eine Gruppendiskussion mit drei jungen Müttern einer Berliner Mutter-Kind-Einrichtung ermöglichten es, konkrete Aneignungsprozesse digitaler Medien unter Berücksichtigung ihrer derzeitigen Lebenslage in der Einrichtung sowie ihres sozialen Herkunftsmilieus aufzuzeigen und zu rekonstruieren. Um den institutionellen Kontext des Forschungsfeldes abzubilden, wurden ebenso Einzelinterviews und eine Gruppendiskussion mit den Fachkräften der Einrichtung während eines mehrwöchigen Feldforschungsaufenthaltes durchgeführt.
MeSort, ein Sortierverfahren zur Abbildung des Medienrepertoires der jungen Mütter, vervollständigt das Mehrmethodendesign der medienethnografischen Untersuchung. Durch die anschließende Analyse des Datenmaterials nach Maßgaben der Grounded Theory konnte neben den Aneignungspraktiken des Smartphones wie dem Spielen von Mobile Games und der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte gezeigt werden, dass sich die jungen Mütter in einem permanenten Spannungsfeld bewegen. Deutlich wird dies durch den Wunsch nach einer selbstbestimmten Medienaneignung und einer damit einhergehenden Absicherung kommunikativer Freiräume, die jedoch durch diverse ,mediale Kontrollmechanismen’ seitens der totalen Institution der Mutter-Kind-Einrichtung gehemmt werden. Die jungen Mütter reagieren durch die Regelsetzung des Fachkräftepersonals mit Ausweichstrategien, indem sie ihre Smartphones, die als dominierende Endgeräte identifiziert werden konnten, in unbeobachteten Momenten verstärkt nutzen. Daraus resultiert aus figurationsanalytischem Blickwinkel ein negativ konnotierter Medienbegriff innerhalb der Gesamtfiguration der Mutter-Kind-Einrichtung.