transfer 5(4) » Rezeptions- und Wirkungsforschung

Der Einfluss von Fallbeispielen auf Leserurteile

Experimentelle Untersuchungen zur Medienwirkung

Medienberichterstattung lebt von Beispielen, denn jeder Journalist will seine Beiträge anschaulich gestalten. Doch was der Förderung des Verständnisses dienen soll, kann auch Missverständnisse produzieren. Jüngere Studien konnten nachweisen, dass einige wenige Beispiele in den Medien die Urteilsbildung der Rezipienten stark beeinflussen können.
Der Autor diskutiert, wieso sich Menschen von dem Wissen um wenige Einzelfälle stark beeinflussen lassen, welchen Informationswert Beispiele haben, wie Journalisten Beispiele verwenden und sie auswählen. Danach präsentiert er 7 Experimente mit ca. 1.000 Versuchspersonen, die den Einfluss von Beispielen auf Vorstellungen der Rezipienten überprüfen.
Die Befunde legen die Folgerung nahe, dass die Ableitung allgemeiner Vorstellungen aus einzelnen Beobachtungen eine grundlegende Strategie menschlichen Urteilens ist, die sich im Laufe der Evolution herausgebildet hat. Diese stete Verallgemeinerung ist im Alltag zwar hilfreich. Nehmen wir allerdings Berichterstattung mit der gleichen Strategie wahr, entsteht ein Dilemma: Aufgrund der vorgeschalteten journalistischen Selektionskriterien präsentieren die Medien eine systematisch verzerrte Auswahl an Einzelfällen, die Leser zu systematischen Urteilsfehlern verleiten können. Die Unzulänglichkeiten menschlicher Urteilsbildung werden folglich durch Berichterstattung nicht reduziert, sondern verstärkt. Fallbeipiele sind somit scheinbar realistische Darstellungen, die unrealistische Vorstellungen generieren können.
Buchpublikation: Gregor Daschmann: Der Einfluß von Fallbeispielen auf Leserurteile. Experimentelle Untersuchungen zur Medienwirkung. Konstanz: UVK Medien Oktober 2001.