Ob es um Günter Grass’ SS-Vergangenheit geht, das Familienbild oder einen neuen Patriotismus zur Fußball-WM: Feuilletondebatten haben heute einen großen Einfluss auf die Medienagenda. Ausgelöst und geführt werden die Debatten von einer relativ kleinen Gruppe von Feuilletonjournalisten. Diese Arbeit untersucht auf Basis der Habitus-Feld-Theorie Pierre Bourdieus die Akteure des Debattenfeuilletons, ihre Arbeit und ihre Beziehungen untereinander. Dafür wurden qualitative Leitfadeninterviews mit zentralen Vertretern des Feldes geführt – darunter die Feuilleton-Ressortleiter von Zeit, Welt und FAZ.
Die Ergebnisse ermöglichen eine detaillierte Beschreibung der deutschen Debattenfeuilleton-Akteure. Entgegen dem Klischee sind sie keine frei schwebenden Intellektuellen, sondern in einen festgelegten und als stressig empfundenen redaktionellen Arbeitsablauf eingebunden. Ähnlich wie im Politikjournalismus hat sich Berlin als Zentrum einer eng vernetzten Kulturjournalisten-Szene herausgebildet. Die Struktur des Feldes wurde vor allem von der FAZ-Feuilletonredaktion der frühen 1990er Jahre geprägt. Einige der einflussreichsten Positionen im deutschen Feuilleton sind heute von Journalisten besetzt, die zu der Zeit ihr Handwerk bei der FAZ gelernt haben. Trotz der starken Netzwerke zwischen Journalisten verschiedener Redaktionen bestimmt die Konkurrenz untereinander die tägliche Arbeit. Die Möglichkeiten, Debatten gezielt zu lenken, sind daher auch für zentrale Akteure deutlich begrenzt.