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„Vor ihnen ein Garten Eden. Hinter ihnen Stasiland.“

Eine Diskursanalyse über die Rolle der Westmedien im Wandlungsprozess der Wende

Massen auf den Leipziger Straßen, auf der Mauer tanzende Menschen, Kohl und Gorbatschow – dreißig Jahre nach der Vereinigung von BRD und DDR sind diese Bilder auch in den Medien wieder präsent. Zeitungen und TV waren schließlich pausenlos mit der Einordnung und der Kommentierung der sensationellen Entwicklungen beschäftigt. Die damalige mediale Praxis weckt heute aber zunehmend Kritik. So wirft beispielsweise Daniela Dahn (2019) den Medien der BRD vor, über die Ereignisse des Wendeherbstes 1989 so tendenziös berichtet zu haben, dass das Wahlvolk der DDR am 18. März 1990 für etwas stimmte, was weder die Bürgerbewegung noch die meisten der Protestierenden gewollt hatten. Albrecht Müller (2019) nimmt die Bild-Zeitung ins Visier und unterstellt eine bewusste Manipulation der Demonstrationen im Sinne der CDU. In Parteizentrale und Redaktion sei der Slogan „Wir sind das Volk“ durch „Wir sind ein Volk“ ersetzt worden.

Auf Basis der Diskurstheorie von Michel Foucault wurde in einer qualitativen Inhaltsanalyse die Berichterstattung von Bild, Süddeutscher Zeitung, Spiegel und Tagesschau zwischen dem 9. Oktober 1989 und der Volkskammerwahl vom 18. März 1990 untersucht. Als Vergleichsgrößen dienten Beiträge aus den DDR-Blättern Neues Deutschland und Berliner Zeitung.

Die Studie zeigt: Der Reformdiskurs konnte sich sehr schnell nicht mehr gegen den Vereinigungsdiskurs behaupten. Dieser Vereinigungsdiskurs wiederum bestand aus zwei Strängen. Auf der einen Seite standen diejenigen, die eine neue Verfassung wollten und auf Rationalität setzten. Auf der anderen Seite ging es um Emotionalität und einen Anschluss in Eile. Vor allem die Bild-Zeitung, aber auch renommierte Journalisten wie Spiegel-Gründer Rudolf Augstein erzeugten dabei einen Sog, in dem jeder zum Feind wurde, der die Einheit nach westdeutschem Vorbild zögerlich oder gar kritisch betrachtete. Hierzu gehörte das Versprechen, einen schnellen Weg ins Paradies zu kennen.
Anhand vieler Zitate lässt sich nachvollziehen, weshalb sich die Stimmung in der DDR-Bevölkerung binnen weniger Monate so drastisch verändert hat – und wie hier der Grundstein für eine Folgeberichterstattung gelegt wurde, die uns die Anschluss-Lösung bis heute meist als alternativlos erscheinen lässt. Was man außerdem sieht: Der Journalismus ist bis zu einem gewissen Grad Kind des jeweiligen politischen Systems. Neutralität ist utopisch – was allerdings, um mit Foucault zu sprechen, nicht sagbar bleibt.