Die Bachelorarbeit setzt sich mit der Berichterstattung über den Mordfall Walter Lübcke in deutschen Leitmedien auseinander. Der Mord an Walter Lübcke löst als erste rechtsextreme Ermordung eines deutschen Politikers seit 1945 eine Debatte über Morddrohungen gegen politische Akteur*innen und das rechtsextreme Netzwerk rund um den Täter Stephan Ernst aus.
Über die Forschungsfrage „Wie kontextualisiert die deutsche Berichterstattung den Mordfall Walter Lübcke in die Strukturen des Rechtsterrorismus?“ wird untersucht, wie die Tat und insbesondere die Beziehungen des Täters in das rechtsextreme Milieu in die Berichterstattung eingebunden werden. Durch die Frage „Vor Gericht wurde Ernst als Einzeltäter verurteilt, aber wie wird die Tat medial eingeordnet?“ wird zudem ein spezifischer Fokus auf den Täter und die Einordnung als Einzeltäter gelegt.
Die Forschungsfragen werden über eine qualitative Inhaltsinhaltsanalyse beantwortet. Den Materialkorpus bilden Artikel der Zeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung und taz, die Tageszeitung.
Zu den zentralen Ergebnissen gehört der journalistisch aufgearbeitete Zusammenhang zwischen der rechtsextremen Gesinnung und den hetzerischen Online-Aktivitäten des Täters, wobei letztere als assistierende Instanz für den Mord eingeordnet werden. Eines der wichtigsten Ergebnisse bei der Untersuchung der Berichterstattung stellt zudem die Ambivalenz gegenüber Ernst dar: In der Betrachtung vor 2009 wird er durch eindeutige Bezeichnung wie Neonazi als Figur der rechtsextremen Szene verortet. Nach 2009 wird Ernst hingegen als gutbürgerlicher Familienvater betrachtet. Dies deckt sich mit behördlichen Aussagen, wonach Ernst ab 2009 nicht mehr behördlich überwacht wurde. Diese Dichotomie wird zu großen Teilen übernommen, gleichzeitig aber auch an einigen Stellen selbstreflektiert kritisiert. Zudem wird der Täter in den untersuchten Artikeln konsequent im rechtsextremen Milieu verortet. Die Berichterstattung zeichnet Ernsts Verbindungen in die neonazistische Szene nach, womit der Einzeltäter-These widersprochen wird. Dabei zeigt sich die Berichterstattung allerdings in Teilen zögerlich und verpasst die Einordnung der Tat als terroristischen Akt.
Die Ergebnisse der Arbeit zeichnen einen sich entwickelnden Journalismus, der in Teilen zwar Mängel der Vergangenheit – wie die in Teilen unkritische Übernahme behördlicher Aussagen – wiederholt, sich aber auch selbstkritisch und weitsichtig zeigt.